Westfälische Nachrichten
HANNS PETER BUSHOFF

Lieder zum Nachdenken

28 nov 1981

Es isf schon schwer genug, in der heutigen Zeit romantische Lieder zu singen, ohne dabei die Kitschgrenze zu streifen, politische Aussagen zu machen, ohne dabei ungerecht und zynisch zu werden, Kinderlieder zu singen, ohne einfältig zu wirken. Doch es gibt einen, der kann all dieses zugleich. und zwar so überzeugend, daß seine Konzerte seit jahren immer wieder ausverkauft sind: Herman van Veen, der auch in diesem Jahr wieder in Münster gastierte. Am Donnerstagabend trat der Holländer vor ausverkauftem Haus in der Halle Münsterland auf.


In seinem knapp dreistündigen Programm, das, obgleich durchkomponiert, nicht professionell glatt wirkte, gingen Vierzeiler, pantomimische Einlagen, Gesten, Grimassen, Gedankenfetzen und Lieder ineinander über, Lieder, die zwar kritisierten, aber ohne den berühmten Zeigefinger auskamen, die Aussagen über menschliche Kommunikation machten und dabei, anders als die meisten Schlagerliedchen, nicht auf das Profan- Menschliche und auf "Liebe und Triebe" rekurrierten, sondern ganz persönlich und damit ehrlicher und überzeugender als diese wirkten.

Modisches jeglicher Art war hier ebensowenig gefragt wie publikumswirksame Entertainer-Tricks: van Veen kam völlig ohne Kalkül aus, seine Lieder, die vom Alltag handeln und von der Toleranz, die wir anderen gegenüber aufbringen müssen, wurden vom Publikum daher auch so aufgenommen, wie sie wirken sollten: nicht wie besserwisserische Botschaften von einem, der das ganze Spiel bereits durchschaut hat, sondern wie Gedanken eines sensiblen Menschen, der seine Schwächen und Zweifel offen zugibt.
Ein Musiker der feinen Zwischentöne, von dem gerade wir Deutschen in puncto Gefühl und Toleranz noch einiges lernen können.