Hörzu

Herman van Veen

Wir müssen unseren Kindern helfen, diese Welt zu verstehen

28 okt 1988

Nach drei Jahren ist der nachdenkliche Entertainer aus Holland wieder auf Tournee. Was sagt er seinem Publikum? HÖRZU-Redakteurin Daniela Hembd gab er erstaunliche Antworten.


Wie ein kleiner Junge zappelt er auf seinem Stuhl herum. Und kippelt. Spricht mit den Händen, mit den Armen - mit dem ganzen Oberkörper. Über Gott und über diese Welt. Das sind Herman van Veens (43) Themen. Und er spricht darüber, daß er nie erwachsen wird. „Ich bin ein kleines Kind oder ein Greis. Aber nichts dazwischen.“
Wir sitzen in einem exklusiven Restaurant auf dem platten Land, ganz in der Nähe von Hilversum, dem Zentrum des holländischen Musikgeschäfts.

Sänger, Schau-und Dichter van Stuhl nach hinten uberkippt. warne ich ihn. Der Mann in Jeans und Streifenhemd kippelt weiter. Aber er kippt nicht um. Kleine Kinder haben einen Schutzengel. Wie überhaupt in den vergangenen 20 Jahren ein Engel ihm beistand: Van Veen ließ sich und seine Ideen niemals vor einen Karren spannen - weder für Umweltschutzgruppen noch für Industriekonzerne. Er ist unabhängig geblieben. Und kann nach allen Seiten mahnen.

Herman van Veen hat sich in den vergangenen drei Jahren rar gemacht. Er hat nachgedacht, war viel mit seiner Familie zusammen, hat sich um seinen Medienverlag „Harlekin“ und seine Stiftung „Columbine“ gekümmert. Früchte dieser Arbeit: Der zweite Band seiner Comic-Figur „Alfred Jodocus Kwak“ ist erschienen - die Geschichte wird zur Zeit in Japan als Trickfilm verarbeitet er hat ein neues abendfüllendes Programm zusammengestellt und einen Film mit Kindern gedreht. Kinder - das Wichtigste in seinem Leben. Er hat vier: Ba-bette (20) ist Schauspielerin, Valentyn (18) geht noch zur Schule, Merlyn (11) natürlich auch und Anne-Maryle (5) besucht die Vorschule.

Ihnen fühlt sich der Poet verpflichtet. Nicht nur als Vater. „Wir haben die Welt doch nur von unseren Kindern geborgt. Deshalb müssen wir sorgsam mit ihr umgehen. Umweltver schnmiung, Kriege, Katastro-pheiTp'S'nd schlimm. Aber irgendwie bin ich optimistisch. Schlimmer kann es doch nicht werden.“

Der Vater will den Verstand seiner Kinder schärfen, ihnen helfen, diese Welt zu verstehen. Er will die Kinder aber nicht mit seinen eigenen persönlichen Ängsten belasten.
Er erinnert sich an seine Kindheit: „Mir hat man eingebleut, daß es nie mehr Krieg geben dürfe. Alles wurde neu, frisch, sauber gemacht. Dann kam der kalte Krieg, und alle rüsteten wieder auf. Doch: Heute setzen sie sich zusammen und rüsten gemeinsam ab. Das macht mich sehr hoffnungsvoll.“

Davon erzählt er auch seinen Kindern. Und daß sie wachsam und kritisch sein müssen. Niemand könne zwar mehr ein Volk verführen, wie es Hitler konnte. „Denn“, so van Veen, „wenn jemand in Moskau einen Schnupfen hat, wissen wir es durch die Medien sofort. Nur ob dieser Schnupfen den Weltfrieden gefährden könnte, das sagt uns so eine Nachricht nicht.“

Ernsthafte Sorgen machen dem immer noch jungenhaft charmanten Herman van Veen die Waffen und ihre Technik. „Die Technologie wird unkontrollierbar, weil sie oft mehr als unser Gehirn kann. Es ist jederzeit möglich, daß ein Krieg spontan airfängt, weil die Geräte spontan anfangen.“

Für die Familie Zeit zu haben ist für Herman van Veen so wichtig wie das tägliche Brot: „Wenn ich eine Woche von zu Hause fort bin, richte ich es so ein, daß ich danach dieselbe Zeit bei den Meinen verbringen kann.“
Die letzten Sätze spricht er mit dem Kopf unter dem Tisch. Jetzt erst sehe ich, daß der erwachsene Mann während unseres Gesprächs die Turnschuhe ausgezogen hat.

Dieses quirlige 43jährige „Kind“ können seine Fans jetzt wieder live erleben. Bis zum 13. Mai 1989 tourt er durch 42 deutsche Städte. Die nötige Kraft für das Tournee-Marathon schöpft Herman van Veen aus seiner Lebeusphilosophie, die auch demyieuen Konzert-Programm den - Namen gab: „Bis hierher - und weiter.“


10. Nov., 23.10, SAT 1 Telethema: Kultur mit Herman van Veen



Daniela Hembd