Die Harke
Elfrun Jacob

"Herman ist der Größte"

Der Holländer van Veen und sein neues Programm

28 mei 1975

Heute findet im Funkhaus Hannover eine Art Generalprobe statt: In einer öffentlichen Veranstaltung im kleinen Sendesaal zeichnet der NDR das neue Tournee-Programm von Herman van Veen für den Bildschirm auf.


Der 29jährige Holländer, der mit seiner letzten Show im Herbst 1974 in verschiedenen deutschen Theatern großen Erfolg hatte, startet im September Wieder zu einer Gastspielreise durch die Bundesrepublik - mit Teilen aus seinem bisherigen Programm und neuen Nummern. Die Femsehkonserve soll im übrigen nicht nur bei uns, sondern auch in mehreren anderen europäischen Ländern ausgestrahlt werden.

Van Veen schwimmt nun also ganz tp, oben auf der "holländischen Welle", die seit längerem nachbarliche Talente auf deutsche Bildschirme " schwemmt. Freilich ist er von etwas anderem Kaliber als etwa sein Landsmann Rudi Carrell.
Der Jeansträger mit der langen Mähne, der in der Bundesrepublik Kritiken wie "Herman ist der Größte - Weltmeisterlich - Seit Chaplin gab es nichts Vergleichbares" sammelte, bezeichnet sich selbst als Harlekin - so hieß auch seine erste Schau und so heißt seine Konzertagentur und Plattengesellschaft, durch die er seine schnellen Erfolge kommerziell untermauert. An die Gründung einer Harlekin-GmbH in der Bundesrepublik wird gedacht.

Er ist nicht politisch, jedoch sozial-menschlich engagiert. Er betrachtet - von der Warte des Harlekins - das Leben "en rose" und "en noir", kurzum bittersüß. Er schreibt die meisten seiner Texte selbst und fand in dem deutschen Produzenten und Autor Thomas Woitkewitsch den idealen Übersetzer, seine Themen sind nicht neu. Er singt und sagt vom Kindermund, von der grünen Witwe, von der großen Liebe, vom Abschiednehmen, vom Leben, das heutzutage nicht mehr "lebbar" ist... Aber es ist neu, wie er das auf die Bühne bzw. auf den Bildschirm bringt.

Van Veen ist ein Totaltalent. Er drückt sich aus in Tanz, Pantomime, Vortrag, Chanson, Komposition, er beherrscht die Geige perfekt und ist auch am Klavier ein großer Solist. Kein Wunder: Er hat am Konservatorium Utrecht Gesang und Violine studiert und mit Erfolg sein Examen gemacht. Schon während der Studienzeit brachte er, gemeinsam mit Freunden ein Kabarettprogramm heraus, wobei Kabarett jedoch als die Kunst mit dem kleinen "k", und nicht als die in der Bundesrepublik gängige Form des politisch-satirischen Kabaretts zu verstehen ist.

Auch in Beleuchtungstechnik und Regie mischt sich das Totaltalent des öfteren erfolgreich ein. Er ist ein Fachmann - auch aus diesem Grunde kommt er in Deutschland so gut an. Van Veen über sein hiesiges Publikum: "Ich trete auf vor jungen Deutschen, die noch an das Abenteuer glauben, die noch lesen, die noch wundergläubig sind und die nicht alles von Materie, Karriere, Geld, Erfolg abhängen lassen. Das macht mich glücklich."

Der Holländer, der eine halbjüdische Mutter hat und dessen Vater im Krieg im Widerstand war, mußte erst Bedenken überwinden, bevor er in die Bundesrepublik ging. Er erzählt: "Es gab mir einen Schock, als ein Fan nach der Vorstellung auf mich zukam und fragte: Findest du es nicht schade, kein Deutscher zu sein?" Seinen Erfolg in diesem Land bezeichnet Van Veen heute als einen "Durchbruch des Gefühls".



Elfrun Jacob