Hamburger Abendblatt
MATHES REHDER

Ein Sänger, Spinner - und Poet dazu

28 mei 1974

Man kann sich an den Kerl gewöhnen. Wer sich in der ersten Hälfte des Programms noch fragte: Was soll's?, der ließ sich nach der Pause willenlos in einer bunt schillernden Seifenblase davontragen. Die schamlose Naivität, mit der Hollands singender Harlekin Herman van Veen seinen sanften Blödsinn zum besten gibt, entwaffnet jeden.


Die Tonsur, von langen Locken umränkt, den Blick voller Schmelzkäse aus den Niederlanden, so tritt Herman vor sein Publikum. Mit seinem leicht angerauhten Timbre - irgendwo zwischen Charles Aznavour und Zarah Leander - singt er seine von Funk, Fernsehen und Schallplatten bekannten Hits: "Stilles. Glück, trautes Heim", "Ich habe ein zärtliches Gefühl", "Kleiner Fratz", "Der Bär", "Oma Louise".

Herman van Veen kann von allem etwas - tanzen, Klavier und Geige spielen. Beherrschte er eine Sache komplett, wäre er ein zweiter Nurejew, Oistrach oder Eschenbach.
So ist er nur ein erster van Veen, der vor allem eins kann: versponnene Geschichten erzählen. Mit einer Stimme, die Kinder einlullt und Erwachsene zu Kindern macht. Mit seinem meist ein bißchen auf Moll gestimmten Unsinn hat van Veen einen ganzen Abend lang ein fast volles Haus entzückt.

Des Beifalls, mit dem das vorwiegend jugendliche Publikum dem verträumten Entertainer im Deutschen Schauspielhaus dankte, brauchte sich auch eine "Jungfrau von Orleans" nicht zu schämen.
Ein Teil vom Applaus gehörte auch seinen musikalischen Begleitern Erik van der Wurff, Harry Sacksioni und Hans Koppes.



MATHES REHDER