OFFENBURGER TAGEBLATT
Christian von Kageneck

Der holländische Unterhaltungskünstler Herman van Veen in Freiburg

Das große Glück im Kleinen

28. April 1992

Freiburg. Aus dem Publikum kommen anfeuernde, zärtliche »Herman«-Rufe. Er ist einer der ihren wie Hans (Liberg) oder Rudi (Carrell) - um nur die Phalanx der holländischen Unterhaltungskünstler aufzuzählen. Sie haben in deutschen Landen ihr treuestes Publikum, die freundlichen, käse-grinsenden De-Beu-kelaers aus dem Humor-gesegneten Flachland. Schon wenn sie den Mund auf machen, klingt das so, als würde eine Kuh ein Büschel Gras zermalmen: ein vokaler Lustgewinn, einfach urkomisch. Doch bei Herman van Veen spielt das nur eine zweitrangige Rolle. Der 47jährigfe Unicef-Botschafter ist ein poetischer Musik-Clown der alten Schule. Seine lyrische Kunst-Sprache ist universell.




Sie kommt in Deutsch, Holländisch, Englisch, Französisch über die Rampe. In clownesker Kostümierung, umgedrehtem Regenschirm, trompetenspielend kommt er auf die Bühne der Freiburger Stadthalle. Ein knallroter Vollmond im Hintergrund. Vielmehr braucht es nicht zur Ausschmückung eines zauberhaften Abends. Der vielseitige Alleinunterhalter ist das vom Lichtkegel erfaßte orakelnde Medium. Freundlich, lieb telefoniert der blondgelockte Barde (eine Mischung aus Karl Dali und Dieter Hoeneß) mit seiner Mutti. Der ausgebildete Musiker wechselt flink Instrumente wie die nur kurz angetippten Motive. Er changiert zwischen den Fallhöhen wie ein Mauersegler, der den Sturz im letzten Moment auffängt. Am Anfang knallt der Moral-Poet gleich einen Schuß vor den Bug, wenn er (»Grand Hotel Deutschland«) an die Hitler-Diktatur erinnert und allzu plumpe Jovialität in Keim erstickt. Herman van Veen ist ein stimmgewaltiger Lautmaler der verborgenen Dinge. Er schildert die Erwachsenenwelt aus dem Unschuldsblick eines hellwachen Babys. Er gießt Spott über die Welt und reichlich über sich. Das kleine Glück (»Momente von Glück«) ist ihm wichtig. Als Sahnehäubchen eine Hommage an Freiburg. Hier wird der Spaßmacher ganz sentimental, er zitiert eine Welt, »die jeden Augenblick sterben kann«. Drum schnell noch, ganz lutherisch noch ein. Bäumchen gepflanzt.
Wir werden ins Variete gebeten. Doch statt dem Hasen kommt nur ein dünnes Gerippe zum Vorschein. »Du mußt sehen, was Du siehst«, sagt der Holländer - und dreht der Erwartungshaltung eine Nase. Van Veen verdreht, kostümiert die bekannten Abziehbilder des Alltäglichen, formt sie neu. Er träumt uns zielsicher durch seine kunterbunte Erlebniswelt.

Eine kurzweilige »Showtime«, in der Vogelstimmen mit intensiver Vorbereitung zelebriert werden, oder mit dem Bluesbrothers-Hit (»Chicago«) auch mal kräftig Dampf abgelassen wird. Begleitet wird van Veen von einer erstklassigen Truppe (Erik van der Wurff und Nard Reijnders), so daß Wort und Musik als balladenreiches Gesamtkunstwerk daherkommen. Kein Wunder, oh Wunder, daß das Publikum das Ende herauszögerte, der zündende Funke ein »zärtliches Gefühl« entfachte, die Band erst nach vielen Zugaben entlassen wurde.

Die Wunderkerzen in sternenklarer Nacht weiterglühten.



Christian von Kageneck