KIELER NACHRICHTEN
KIRSTEN MARIA LÜBKE

Weit gekommen, aber noch lange nicht am Ziel

27 sept 1989

Herman van Veen begeisterte an zwei Abenden sein Publikum in der Ostseehalle.
Nach seinen Konzerten erscheint die Welt immer ein wenig verändert. Dem nächstbesten Fremden möchte man mitten ins Gesicht lächeln oder einem gänzlich Unbekannten auf der Straße ein freundliches „Guten Abend“ zurufen. Wenn er singt, der Holländer mit der glänzenden Glatze, ist das Labsal für die Seele, die beste Medizin gegen Unzufriedenheit, Kummer, Angst, Schwermut. Er ist ein Bündel an positiver Energie, immer noch, auch nach Jahrzehnten im Showgeschäft.



Herman van Veens Programm Bis hierher und weiter, das an zwei Abenden in der Ostseehalle zu sehen war, zeigt, daß Herman, wie er liebevoll genannt wird, mit seinen 44 Jahren weit gekommen, aber noch lange nicht am Ziel ist. Er singt, tanzt, plaudert und schauspielert weiter gegen Mutlosigkeit, Unterdrückung, Angst.
Aber van Veen macht es auf andere Weise als in seinen letzten Konzerten in Kiel. Der Clown mit der roten Ping-Pong-Nase erzählt Geschichten, weniger verhalten und nachdenklich, vielmehr offensiv, bunt, manchmal skurril. Es sind Bruchstücke, Momentaufnahmen vom Leben, Szenen, die aufleuchten, abbrechen, neu beginnen.

Das Leben bei van Veen ist kein langer, ruhiger Fluß, sondern eine Folge von Ereignissen, plötzlichen Veränderungen, Sprüngen. So auch sein Programm: Merkwürdige Träume plagen ihn — von einem Samurai, der ihm kurzerhand die Männlichkeit abschneidet und den Hühnern zum Fraß vorwirft, von einem einsamen achtjährigen Mädchen, das von seinem Teddy in den Schlaf gewiegt werden will, von seiner bodyverbildeten Frau, die vor Muskeln kaum mehr sprechen kann. Vielleicht ist es die Leistung des Narren und Entertainers, daß er bei all diesen Verwandlungen er selbst bleibt — einer, der von zärtlichen Gefühlen zu reden weiß und von Liebe, der tröstet, Mut macht und im Gegenwind nicht aufgibt.

Das Publikum folgt Herman van Veen jedenfalls begeistert hierhin, dorthin und auch weiter — selbst wenn es erst in den zahlreichen Zugaben Gelegenheit gibt, die Wunderkerzen anzustecken und dem/der Geliebten auf dem Nebensitz bei einem der Gänsehaut-Liebeslieder verstohlen ins Bein zu kneifen. Dem Charisma va Veens kann sich kaum jeman entziehen.

„Wärst du ein Zauberer, dan wäre niemand mehr allein singt der Holländer am End und wenn er es singt un lächelt, klingt es kein bißche kitschig, dann möchte man « glauben, jedenfalls für diese einen Abend.



KIRSTEN MARIA LÜBKE