Ostfriesen Zeitung
Birgit Schreibe:

'Ich will singen, schreiben und leben"

27 sep 1985

Oldenburg. Als „Poet“ und „Zaubermeister der Gefühle“ stellt man ihn sich vor. Aus dem Radio und Fernsehen kennt man bereits seine sanfte, gut-ausgebildete Stimme und sein rollendes-holländisches „r“. Aber als Hermann van Veen in der Oldenburger Weser-Ems-Halle im zerschlissenen Trenchcoat durch das Publikum schlenderte, spürte man das Element, das den schlanken 40jäh-rigen Holländer zu einer außergewöhnlichen Persönlichkeit macht: eine ruhige, gewinnende Ausstrahlung und fröhliche Unbefangenheit, die den sogar am Broadway erfolgreichen Künstler seinem Publikum ganz nahe bringt.


Kraftvoll und doch sanft, dynamisch und doch weich waren van Veens durch umfassende Ballettausbildung und seine innere Harmonie beeinflußten Bewegungen und der Tanz des Entertainers tatsächlich.

Glücklich die Konzertgäste, die in den ersten Reihen saßen. Sie konnten Mimik und Gestik des Sängers, Schauspielers, Zauberers und - wie er dem Publikum durch eindrucksvolle Szenen bewies - Clowns beobachten. Immer wieder spielte der Künstler vor einer beeindruk-kenden Kulisse, nämlich keiner, mit einfachen Mitteln kleine Theaterstücke, so zum Beispiel seinen eigenen Tod.
„Ich bin total tot! Ich will aber leben, leben, leben!!!“ schreit van Veen. Und kommt in seinem Lied für den Tod zu der entscheidenden Frage, die er sich und dem Publikum stellt: „Was fängt man dann (im Sterben) mit seiner Klugheit an? Worauf warten wir?“

Liebe zum Leben und der Wille zur Veränderung werden in jedem der Lieder deutlich. Van Veen - selbst goodwill-- Botschafter bei der internationalen Kinderhilfsorganisation Unicef -resigniert nicht an den Widersprüchlichkeiten in der Welt. In „Signale“, einem Lied, das unter anderem von Apartheid und Trennung in Ost und West handelt, fordert er: „Zeigt, daß Beharrlichkeit zum Ziele führt“.

Nicht Resignation, sondern Aktion ist die Devise des sanften Holländers. So klagt er Jesus in „Die Wechsler“ nicht an , so dem stellt eher bittend fe „Komm wieder auf die Erde wir haben keine Wahl, vielleicht klappt's diesmal besser als bei ersten Mal“.

Ganz nah kommt einem der Künstler durch seine fast kindliche Unbefangenheit und seine Freude am Spielerischen. So schwelgt er singend zu einer Melodie von Chopin in Erinnerungen an den Jahrmarkt seim Kindheit. Plötzlich erschreckt vor einem leuchtend grüne Skelett neben sich und verläßt fluchtartig die Kiste, in der er bis eben gesessen hatte.

Als Zugabe sang „Herrrman" seinen Fans in der vollbesetzte Weser-Ems-Halle unter andererm das Lied vom kleine Fratz und deh Titel-Song seine erfolgreichen LP „Ich hab‘ einn zärtliches Gefühl“.
Hermann van Veen ist „live“ ein Erlebnis gewesen: Auf der Bühne ergänzen sich der Schauspieler, Cabarettist und Sänger zu einer dynamischen Persönlichkeit, die auf das Publikum eine kraftvolle Ausstrahlung hat.



Birgit Schreiber