General-Anzeiger
Adrian Arns

»Stelle meine Angst dar "

Herman van Veen gab umjubeltes Konzert in Oldenburg / Sechs Zugaben

27 sep 1985

Oldenburg. Die Meinungen des Publikums zur Pause im Foyer der Oldenburger Weser-Ems-Halle waren geteilt. Viele der rund 2 500 Besucher wußten nicht so recht mit dem, was der holländische Liedermacher Herman van Veen soeben optisch und akustisch in Worte und Gesang gekleidet hatte, anzufangen. Andere wiederum waren begeistert. »Ich hätte mir viel mehr Gesang gewünscht«, meinte eine Zuschauerin aus Rhauderfehn, und: »In Bremen letztes Jahr war er besser!«


Jeder Künstler muß damit leben, daß er an dem in der Vergangenheit Geleisteten gemessen wird. Am liebsten möchte das Publikum die ewig bekannten Melodien hören, Jahr für Jahr. Herman van Veen sieht das anders, wie er gegenüber dem General-Anzeiger nach dem dreistündigen Konzert ausführte: »Die Lieder, die ich gesungen habe, sind verpackt in eine abstrakte Geschichte. Heute habe ich mich vor allem vor der Pause mit dem Tod beschäftigt, mit der Angst vor dem Tod, mit der Angst vor dem Leben danach. Für mich ist es wichtig, daß ich mich auf der Bühne mit Sachen beschäftige, die meine Person betreffen. Viele haben mich kritisiert, daß ich soviel über Gott oder Uber die Politik bringe. Dabei stelle ich nur dar, wovon ich Angst bekomme, und nicht, womit ich Erfolg hatte. Ich hab’ das Gefühl, daß man was unternehmen muß gegen die Mißstände, daß ich weiß, warum es schiefgeht. So z. B. die Kirchen, die ich eigentlich schätzte, übernehmen nicht die eigentliche Verantwortung von dem, was sie wissen und denken. Sie schieben sie Gott und der Bibel zu. Ähnlich ist es mit den politischen Parteien.

Für mich gibt es kein Thema, das tabu ist. Wenn es nicht so wäre, dann ist es nicht okay!«

Soweit der Sänger, Clown und Entertainer, der in Oldenburg insgesamt 24 Lieder im Repertoire hatte, seine vielen Gesichter zeigte, mal schelmisch, mal ernst, mal lustig, mal frustriert, aber immer mit einem kleinen Augenzwinkern. Ein donnernder Applaus war ihm nach dem offiziellen Ende des Konzerts sicher. Der beinhaltete gleichwohl seine vier Musiker, die ihn gefühlvoll begleiteten.
Herman van Veen hat viel zu sagen und es dabei nicht einfach. Die Botschaften, die er übermittelt, sind seine Erlebnisse, seine Gedanken, Wünsche und zum Teil auch seine Hoffnungen, die - wie er vielleicht weiß -. sich nie erfüllen werden.

Der Holländer mit seiner klaren, wandlungsfähigen Stimme stürzt seine Zuhörer in ein Wechselbad der Gefühle. Er macht betroffen und zugleich einsichtig für die Lösung von Problemen. »Ich war hinterher echt fertig, aber glücklich, das miterleben zu können«, sagt Rainer P. aus Rhauderfehn, der sich ebenso wie fast alle Besucher über sechs Zugaben freute. Dann war Schluß, der Vorhang fiel endgültig.

Wer noch nicht genug hatte und eine halbe Stunde wartete, war verblüfft darüber, daß sich Herman van Veen um 0.15 Uhr noch eine halbe Stunde Zeit nahm, um mit ein paar Unentwegten zu diskutieren.
Welcher Star - und das ist er - macht das schon? Für alle Leser, die ihn verpaßt haben oder ihn entdecken wollen, ein Tip: Ende Januar 1986 gastiert der Entertainer in Bremen.



Adrian Arns