Lubeck
Lothar Meyer-Mertel

Als Kinder waren wir halt doch bessere Menschen

27. Maerz 1992

Herman van Veens Botschaft kam an: 2000 waren begeistert
Lübeck. Sein Publikum kennt ihn, liebt ihn und lauscht versonnen seinen Liedern: Herman van Veen. Im Rahmen einer großen Deutschlandtour kam er wieder mal nach Lübeck. Was sichert diesem Mann seit über 20 Jahren einen festen Platz unter den erfolgreichsten Chansonniers Europas?



Ist es die Ruhe und Zärtlichkeit in seinen Liedern, die van Veen mit inniger Überzeugung auch nach dem hundertsten Mal noch immer so singt, als seien sie ihm gerade eingefallen? Ist es jene ausgewogene Mischung aus Zynismus, zärtelndem Sentiment und Gesellschaftskritik? Oder ist es seine Fähigkeit, jedem Hörer das Gefühl zu geben, er singe gerade nur für ihn?

Eine Antwort auf diese Fragen gab van Veen auf seine Weise in der ausverkauften Hansehalle vor 2000 Zuhörern. Begleitet von seinen Stammusikern und Arrangeuren Erik van der Wurff (Keyboard und Klavier) und Nard Reijnders (Saxophon) zauberte der Niederländer mit dem unverwechselbaren Akzent eine sanftbunte, mitunter surrealistisch und lasziv anmutende Show mit alten und neuen Songs, alten und neuen Programmpunkten vor alten und neuen Fans.

So mußte nicht vergeblich auf das „Telefonat mit dem Sohn“ gewartet werden, und auch der berüchtigte Striptease kam ebenso wie das „zärtliche Gefühl“, ein Song, mit dem van Veen seinen ersten großen Liederfolg feierte.

Ruhiger zwar als in den vergangenen Jahren, sanfter noch als ohnehin, suchte und fand van Veen schnell den di- rekten Draht zum Publikum. Mit einer Stimme, so wärm wie ein steifer Grog im Winter, und einer Gestik, die die ganze menschenfreundliche Persönlichkeit des ehemaligen Unicef-Gesandten as- strahlte, teilte er sein alte und doch immer neue Botschaft mit: Als Kind war man ein besserer Mensch.

Auch das kannten und erhofften seine engeren Fans: Als der größte Teil des Publikums nach der sechsten Zuga- be bereits gegangen war, gab er für die standfesten zweihundert dann doch noch die aller-allerletzte Zugabe.

Zumindest vorerst.



Lothar Meyer-Mertel