Bielefelder Tageblatt
Karin Zintz

„Wir tun es einfach, weil wir es schön finden“

27 feb 1984

Bielefeld (Eig. Ber ). Es ist schon halb zwölf, Freitag abend. Fünf Minuten nach der letzten Zugabe seines zweiten Konzertes in der Oetkerhalle sitzt Herman van Veen vor uns: kaputt und verschwitzt nach einer mehr als dreistündigen Show, die weißen Hosen immer noch bis zu den Knien hochgekrempelt, nur die Schuhe hat ergewechselt. Doch sein Gesicht verrät kaum die Strapazen einer Tournee, die von ihm verlangt, fast jeden Abend geistig und körperlich voll da zu sein. Die Augen sind wach und aufmerksam. Herman van Veen wirkt gelassen, sympathisch, offen. „Hallo, ich bin Herman", sagt er unkompliziert, ganz ohne Allüren. Keine Spur von der Überheblichkeit, die anderen Künstlern bisweilen eigen ist.


Herman van Veen arbeitet mit einigen seiner Musiker schon seit mehr als zwei Jahrzehnten zusammen, braucht Freundschaft und Harmonie, will keinen Starkult oder Skandale. „Wir tun es einfach, weil wir es schön finden“, meint er mit sanftem holländischen Akzent. „Wir sind sehr zufrieden miteinander, und das bleibt wahrscheinlich auch so, bis wir greise, dicke Männer sind.“

Herman van Veen privat, das ist in erster Linie ein Vater und Hausmann, der sich um seine vier Kinder kümmert, die älteren in die Schule bringt, aufräumt, Garten und Tiere versorgt. „Ich tue eigentlich nichts zu Hause, nur die Sachen, die meine Frau macht, wenn ich nicht da bin.“

Ob ihn der Tourneerummel mit Fans und Journalisten, Einladungen und Interviews nicht nerve? Nein, meint er, „ich entscheide selbst, mit wem ich spreche“. Zwischen den 135 Konzerten gibt er nur fünf oder sechs Interviews, zumeist mit großen, überregionalen Zeitungen oder im Fernsehen. „Was ich zu sagen habe, das hat man draußen auf der Bühne gesehen. Das Konzert sagt perfekt, wo ich stehe, was ich denke."

Hat Herman van Veen keine Angst davor, daß seine ernst-melancholischen, nachdenklich stimmenden und überaus sensiblen Lieder bei einem Konzert mit viel Show, hintergründiger Pantomime und ausgelassener Clownerie ins Hintertreffen geraten? Er schüttelt den Kopf. „Ich bin zuerst ein Clown, ein Unterhalter. Doch ich schreibe keine komischen Texte, das kann ich überhaupt nicht. Wenn ich singe, ist das immer melancholisch, politisch.
Die Theateratmosphäre und der Spaß bei meinen Konzerten sind nicht übersetzbar, auch auf Live-Platten kommt das nur selten raus. Wenn Leute, die mich nur von Platten kennen, zum erstenmal in meine Konzerte kommen, staunen die nur - ,Was passiert jetzt?' — Das finde ich sehr schön. Melancholie und Lachen, so ist das einfach. Man kann sagen, so ist das Leben.“

Thomas Woitkewitsch schreibt die hervorragenden deutschen Texte für Herman van Veen. Wie sieht die Zusammenarbeit mit dem Übersetzer aus? „Schon seit 1969 arbeite ich mit Thomas. Der Mann kann einfach fantastisch schreiben. Wir wandern oft tagelang miteinander über einen Text.“ Doch davon, daß der Feinsinn und die Sorgfalt des Deutschen manchmal Schwierigkeiten mit sich bringen, berichtet van Veen auch: „Er will oft monatelang über ein Wort nachdenken. Es ist eine Katastrophe, mit dem Mann zu arbeiten“, meint er lachend, „aber, es wirkt scheinbar.“

Herman van Veen liebt den Kontakt, das Spielen mit seinem Publikum. Auf der Bühne erscheint er spontan, bleibt Herman, verletzlich-menschlich. Wie weit ist diese Spontaneität geplant? „Zu 80 Prozent sind die Konzerte einstudiert. Doch bleibt dazwischen Raum zum Improvisieren. Wie das dann aussieht, das hängt vom Publikum ab.“ Zu seinen Bielefelder Konzerten meint van Veen: „Hier ist man zuerst unheimlich ruhig. Und dann später, Menschenskind, dann hört es gar nicht mehr auf.“

Jetzt ist es kurz vor zwölf, Willem Flantua, Manager und Freund, der auch auf der Bühne mitspielt, kündigt einen Haufen von Fans an, die draußen schon lange auf ein Autogramm von „ihrem Herman" warten. „Okay“ sagt der, „hol sie rein.“

Danke für das Gespräch, Herman van Veen.



Karin Zintz