Neue Osnabrücker Zeitung
Rainer Wilde

Station in Osnabrück: Herman van Veen

26. Oktober 1988

Es ist fast genau auf den Tag drei Jahre her, daß Herman van - Veen in Osnabrück auf der Bühne des Europasaals stand. Nun ist er wieder auf Tournee » ourch die Bundesrepublik, und heute und morgen wird er auch wieder Station machen in Osnabrück.


Seit drei Wochen ist er unterwegs, der Holländer mit dem „zärtlichen Gefühl“, der poetische Clown, Sänger, Kabarettist, Entertainer, Botschafter der Liebe und des Friedens. Und er ist „sehr glücklich“ über den Beginn dieser großen Konzertreise, die ihn in sechs Monaten durch die bundesdeutschen Konzertsäle von Flensburg bis München führt. „Das Publikum ist so lieb. Noch nie fühlte ich mich so willkommen. Es ist für mich, als ob ich wieder zu Hause bin.“ So wie Herman van Veen das am Telefon sagt, gibt es keinen Zweifel daran, daß er es ehrlich meint, nicht nur Komplimente macht an sein Publikum.

Van Veen, inzwischen 43 Jahre alt, war nicht müßig in den drei Jahren seit seiner letzten Tournee. Film- und Fernsehproduktionen, Gastspiele und Konzerte auch in die DDR wurden absolviert. „Die Begegnung mit den Menschen dort, die alles viel intensiver aufnehmen und reflektieren, hat mich stark bewegt" bekennt van Veen, dem es aber nicht genügt, mit seiner Kunst auf die Menschen zu wirken, ihnen „mit Metaphern und Ironie“ die Augen und die Herzen zu öffnen, der seine Botschaft von kollektiver Verantwortung gegenüber den Menschen und ihrem Lebensraum Erde für sich selbst beherzigt.
Nicht nur reden, singen und mahnen will er, sondern konkret etwas tun, dort helfen, wo materielle aber auch menschliche Zuwendung gefordert ist. Mit seiner Stiftung „Colombine" fördert der Künstler Aktivitäten in der Dritten Welt, in Amsterdam arbeitet er an einem Projekt für ein neues Krebsinstitut, das leukämiekranken Kindern, die bisher in ihren Krankenstationen isoliert waren, ein Zusammenleben mit den Eltern ermöglichen soll.

„Sie brauchen doch die Zärtlichkeit, sind doch schon wie tot, wenn sie nicht mehr gestreichelt werden“, sagt Herman van Veen. Bei allem, was Herman van Veen tut und sagt, spürt man sein Engagement dafür, verschüttete und verdrängte Menschlichkeit zu befreien. „Ich will den Menschen zeigen, daß auch das, was sie nicht wahrnehmen, passiert“. Die Bereitschaft, in sich hineinzuhören, sich zu den Regungen der Seele zu bekennen, die er selbst in jedem seiner Konzerte und im Gespräch voll philosophischer Ernsthaftigkeit zeigt, sie möchte er bei seinen Zuhörern wecken. „Ich weiß, daß ich nicht viel bewegen kann. Die Menschheit hat viel gelernt, aber ich sehe keinen Punkt, wo sie daraus wirklich Folgerungen gezogen hätte.“

Van Veen siehtdie Welt realistisch und nicht ohne Pessimismus. Aber er blickt unter die Oberfläche, und er resigniert nicht. „Mit protestantischer Zuversicht beharrt er darauf, daß der Wettlauf trotz allem beherrschbar ist, daß unser heillos verspieltes Geschick doch noch die Märchenkurve kriegt“, schrieb Heinz Rudolf Kunze zum Tournee-Geleit. Und Herman van Veen benennt dasZiel, für das er singt und spielt, ganz einfach so:

„Ich will glücklich sein; und jeder hat das Recht auf dieses Glück."



Rainer Wilde