Oldenburgische Volkszeitung
Kristof Jünemann

"Auf dem Wege zu Dir": - und uns

26 okt 1985

Osnabrück

- Um 23.15 Uhr verebbt der letzte Beifall der stehend applaudierenden Zuschauer, in der nicht ganz ausverkauften Stadthalle. Soeben hat sich ein erschöpfter Herman van Veen nach seiner fünften Zugabe endgültig verabschiedet und versprochen, spätestens in drei Jahren wiederzukommen. Seine neuen Fans werden wiederkommen, seine alten Fans klatschen zögernder, sind nicht so begeistert wie sonst. Der Clown, Pantomime und Liedermacher Herman van Veen wirkte zuweilen müde und routiniert an diesem Abend.


Trotzdem bewies auch dieser Auftritt das große Können des Holländers, der mit einer ausgezeichneten Band, hervorragenden Technikern eine Show lieferte, bei der jeder Lichteffekt saß, jeder Szenenwechsel wirkte, jede kleine Bewegung stimmte und musikalisch untermalt war: Absolute Profis, routinierte Reisende in Sachen Kunst am Werk.

Mit einfachsten Requisiten, wie Transportkiste und roter Plastikeimer, und stimmiger Beleuchtung zaubert der Künstler und Gesichtsakrobat Herman van Veen unterschiedlichste Stimmungen auf die Bühne - von Geisterbahn bis Bum-Bum Boris. (Seine bissige Tenniszeitlupenpantomime ist sehenswert.)
Durchscheinende Motive seiner Clownereien, Sketche und Lieder sind Religion und Glaube, das Alter und der Tod, und Reinkamation. Das Kokettieren Herman Van Veens mit seiner Halbglatze kann nicht darüber hinwegtäuschen, daß er Probleme mit dem Alter hat, er ist immerhin schon 40.

Manche Kritiker bemängeln seine Aussagen blieben zu sehr «in der Oberfläche. Er spräche Probleme an, aber habe nichts dazu zu sagen. Diese Tendenz ist erkennbar, aber beileibe nicht durchgängig. Zwar ist ein sanfter, leicht melancholischer Ton bestimmend in seinen neuen Liedern, aber er beschäftigt sich intensiv und auch aussagekräftig mit der christlichen Religion und zwischenmenschlichen Problemen. „Sie haben Dein Kreuz versilbert”, ist ein Lied eines engagierten Christen, der sich mit Widersprüchen in Kirche und Lehre auseinandersetzt.
Sein Sketch mit der Selbsthypnose des Boxers:„Du kannst es!” trifft verdammt genau die Mehrzahl der Beziehungskisten. Warum fällt es uns denn so schwer, denen, die wir lieben, unsere Liebe zu zeigen. Für alle, die Herman van Veen zum ersten Male sahen, war er ein Ereignis. Wenn er als Karajan das rhythmische Klatschen der Zuhörerinnen und Zuhörer dirigiert, mal stakkatohaft mal fließend, mal crescendo mal piano, mal als Kanon erklingen läßt, so ist das nur möglich, wenn die Zuhörer den Künstler erkennen und schätzen.


Nicht so brilliant wie sonst, aber immer noch verteufelt gut



Kristof Jünemann