Volksblatt Berlin
SUSANNE HEYDEN

Hermann van Veen in der HdK

Visionäres Feuerwerk

26 März 1989

Hermann van Veen, dem stimmgewaltigen niederländischen Magier, Gaukler und Poeten, kommentierend beizukommen ist so schwierig, wie einer Traumvision Kontur zu geben.


Das Podium im Konzertsaal der HdK macht er zur Manege, zur Ballettbühne, zum Varie-tebretti, zur parodierten Rockstage. Der Clown mit dem eigenwilligen Beharren auf dem Prinzip Hoffnung zieht uns hinein in den Sog seiner Rätselbilder, deren Buntheit nur da grell wird, wo er warnt.

Natürlich ist es fünf vor zwölf, und gerade weil er das weiß, pflanzt er einen ganzen Hain von Apfelbäumen und bringt ihn zum Blühen. Ein mit allen künstlerischen Wassern gewaschener, optimistischer Moralist und fröhlicher Skeptiker, der uns zum Deuten seiner Bildentwürfe assoziative Freiheit läßt und Lust macht auf Nach- und Querdenken.

Er zitiert und parodiert, was das Zeug hält, um im nächsten Moment die komischen Posen umkippen zu lassen in poetische Metaphorik. Die opern-haften Nonsense-Rezitationen eines Alptraumes multipliziert er klangspielerisch zur motet-tenhaften Dichte, bis der Kathedralensound zur schrillen Walpurgisnacht wird.
Vor dem sich verselbstständigenden Klangrauschen flüchtet er an den Flügel, nur, um dort mit allen Showklischees die Mundharmonika fast zu verschlucken und nonchalant zur Havanna zu machen wie Groucho Marx.

Aus der Partitur einer zerknüllten Zeitung auf dem Notenpult spielt er herz- und trommelfellzerreißende Kakopho-nien über den Zustand der Welt; und weil er .heut' so fröhlich" ist, tanzt er mit dem schillernden Freund Hein einen höchstlebendigen Totentanz. Als er ihn schließlich küßt, erkennen wir: La Morte ist eine Frau und gar nicht bedrohlich.

Er dirigiert höchstselbst den Zugabe-Chor und macht noch aus dem Zuziehen des Vorhangs Poesie. Als er den Scheinwerferspot, zum Funken verglüht, in die Fracktasche steckt, ist das noch lange nicht das „Aus" des Abends.

Ein visionäres Feuerwerk zum überleben, noch vom 28. bis zum 31. März, 20 Uhr, in der HdK.



SUSANNE HEYDEN