Die Tagezeitung
Jochem Metzner

Was könnte er nicht?

Der Entertainer Herman van Veen

26 Marz 1989

Dieser Herman van Veen muß mit höheren Mächten im Bunde sein. Fehlt ihm zwischen all den vielen Showrequisiten noch ein simpler Kleiderbügel, an dem er das schwarze Jackett aufhängen könnte, so braucht er nur eine stille Gebetshaltung einzunehmen, schon senkt sich der gewünschte Gegenstand herab vom Bühnenhimmel. Steht das Mikrophon gerade auf dem falschen Fleck, so muß er nicht dorthin spurten, es kommt selbsttätig zu ihm. Und den mit Spiegelglaswänden ausstaffierten Sarg, den er — für uns HdK-Besucher schon mal im zeitlichen Vorgriff — 2045 als Hundertjähriger besteigt, zum fröhlichen Sterben bereit, verläßt er schließlich doch wieder wie neugeboren.


Auch sonst erweist sich dieser Fliegende Holländer der Entertainment-Branche, der sich gern auf abhebendem Fahrrad dargestellt sieht erneut als Show- und Unterhaltungskünstler der nahezu unbegrenzten Möglichkeiten. Ist er ein besserer Clown oder Sänger, ein vorzüglicherer Schauspieler oder Drapierungskünstler, ein begnadeterer Tänzer, Zauberer oder Conferencier? Vielleicht sollte man lieber gleich nach der Sparte fragen, in der der hochgewachsene, freundliche Mann aus Utrecht nicht zur Spitzenklasse gehört. Und doch besteht seine größte Leistung ja darin, aus all dem einen bald dreistündigen Showablauf zu komponieren.

Fast ausschließlich neue Lieder führt er auf seiner über halbjährigen Tournee mit im Gepäck, bis auf wenige Ausnahmen CAnne", „Ich hab' ein zärtliches Gefühl“). Ein paar treffliche Strophen von Thommie Bayer, Hans Jürgen Büchner und anderen aus der deutschen Songwriter-Riege sind dabei. „Griff ins Klo" des für seinen blanken Realismus bekannten Heinz Rudolf Kunze gehört zu den Höhepunkten vor der Pause.

Was wären Lieder ohne das — zugegeben — wild zusammengewürfelte, deshalb nur um so kurzweiligere Sammelsurium kleiner dramatischer Szenen zwischendurch.
Herman van Veen persifliert Tennis-Cracks, japanische Samurai oder krachlederne Rockstars. Am meisten ist es aber die eigene Vortänzerrolle, die ihn zu immer neuen Späßen und Selbstbetrachtungen reizt Bis Monatsende wird man schwerlich Amüsanteres finden auf den Berliner Entertainment-Bühnen.



Jochem Metzner