Berliner Morgenpost
Uwe Golz

Magier der Gefühle in der Hochschule umjubelt

26 märz 1989

Ein Moralist ohne Zeigefinger, ein Clown und Poet ist Herman van Veen. Er ist der Narr, der uns den Spiegel vorhält, aber selbst den tiefsten Blick von allen hineinwirft. Ein wahrer Ur-ur-ur-Enkel Till Uhlenspegels. Wenn er singt wird die Gegenwart vergänglich, das Leben aber unendlich. Der Tod wird greifbar, aber hat nichts mehr von seiner Traurigkeit


„Nichts ist sicher, außer, daß nichts sicher ist“ singt er und beschwört sein Publikum im Konzertsaal der Hochschule, einmal mehr über diese Welt nachzudenken. Hermann van Veen ist ein Magier der Gefühle, ein Zauberer mit alten Tricks - die bei ihm einen neuen Sinn erhalten.
Er läßt vergessen - die nicht gerade anheimelnde Atmosphäre des Saales, den Streß des Alltags, die Sorgen und Probleme - und macht doch auf sie aufmerksam. Seine Kritik kommt auf leisen Sohlen, schleicht sich behutsam ein, will nicht verletzen. Sie will Anstoß sein fürs Denken und Handeln aus der eigenen Person heraus.

Der holländische Liedersänger bringt sein Publikum zum Weinen und zum Lachen. Er erschöpft es mit seiner Odysee durch sämtliche Gefühle, zu denen er steht und die er - jedenfalls Air Männer - salonfähig gemacht hat. Und er bereichert - wenigstens für einen Abend - die Erlebnis-Welt seiner Fans.
Man spürt, er liebt die Menschen um ihrer selbst willen, verachtet nicht die kleinen und großen Schwächen und prangert sie nicht an. Seine Lieder treffen in die Seele, und in seiner Stimme schwingt eine selten zu hörende Wärme.

Hermann van Veen hat sich längst von seinen großen Vorbildern befreit. Heute stehen seine Lieder zwar beispielsweise in der Tradtion von Jacques Brei, sind aber völlig eigenständig. Ob „Anne“, van Veens Lied für seine kleine Tochter, oder „Liebe“, „Griff ins Klo“ oder „Und ich“ - er beobachtet scharf, doch seine Texte und seine Musik mildem diese Schärfe in ein erträgliches Maß. Sein Flirt mit dem Tod wird zum Tanz mit dem Leben. Ein langsamer Walzer der Lebenslust und Freude.
Clownesk windet sich van Veen durch sein Programm, ein Harlekin, der - unterstützt von drei for-midablen Musikern (Erik van der Wurff, Nard Reijnders und Cees van der Laarse) - das Spielen und Staunen nicht sein lassen kann, nicht sein lassen will.

Das Publikum dankte es dem niederländischen Entertainer und Botschafter der Unicef mit fast ÖOminütigem Applaus und stehenden Ovationen. Von Dienstag an bis einschließlich Freitag ist Herman van Veen noch in der Hardenbergstraße zu erleben. Eins ist sicher, außer, daß nichts sicher ist -Hermann van Veen ist unter den Clowns der größte, ehrlich zu den Menschen und voll zärtlichen Gefühls.



Uwe Golz