Esslinger Zeitung

„Goldene Kamera“ für Bundeskanzler

Top-Preisträger blieben der feierlichen Veranstaltung in Berlin allerdings fern

25. Mai 1991

BERLIN (dpa) - Hoch oben über den Dächern Berlins versammelte sich am Donnerstag abend die Prominenz des deutschen Fernsehens. Anlaß war die 26. Verleihung der „Goldenen Kamera“, dem Preis der Programmzeitschrift „Hör zu“ für hervorragende Leistungen auf dem Bildschirm. Die Top-Preisträ-ger blieben der feierlichen Veranstaltung im 19. Stock des Axel-Springer-Verlags, die wegen des Golfkriegs verschoben worden war, allerdings fern. Bundeskanzler Helmut Kohl wurde für „seinen unermüdlichen Einsatz und seine unbeirrbare Kraft“ für die deutsche Einheit ausgezeichnet, wie Peter Tamm vom Springer-Verlag sagte. Die beliebte' Trophäe mußte Ehefrau Hannelore in Empfang nehmen. Der Kanzler erhielt in dieser Zeit in Edinburgh die Ehrendoktorwürde für seine Verdienste um das zusammenwachsende Europa.


Frau Kohl, im dunkelblauen Kostüm, erklärte, daß mit der deutschen Einheit für ihren Mann ein Traum wahrgeworden sei. Von Moderator Helmut Jauch auf die Eierwürfe von Halle angesprochen meinte sie: „Er hat sich darüber geärgert, warum denn nicht.“ Aber ihr Mann sei „nicht in der Seele verwundet“. Die meisten hätten seine Reaktion verstanden.

Die Veranstaltung, die sonst vom Fernsehen übertragen wurde, fiel nach dem Jubiliäumsjahr und durch die Terminverlegung etwas bescheidener aus als sonst. Die amerikanische Superfrau „Pretty Woman“ alias Julia Roberts glänzte leider ebenso durch Abwesenheit wie der französische Star-Schauspieler Michel Piccoli und der holländische Künstler Hermann van Veen. Wenigstens Klaus Maria Brandauer war zusammen mit seiner Frau gekommen. Sie war nicht nur Begleiterin. Die Regisseurin von „Marleneken“ und „Verkaufte Heimat“ erhielt ebenso wie ihr Mann eine „Goldene Kamera“ für ihre künstlerische Arbeit.

Für die deutsche Fußballnationalelf nahmen Verbands-Präsident Hermann Neuberger und Pierre Litbarski die Auszeichnung entgegen. Die Mannschaft wurde für ihre vorbildliche Fairneß auf dem Weg zum Weltmeistertitcl geehrt. Als „Femsehentdeckung des Jahres“ erhielt die zierliche Leslie Malton, zuletzt bekannt durch den Krimi „Die Kupferfalle“ die „Lilli-Palmer-Gedächtnis-Ka-mera“.
Geehrt wurde auch der fast 65jährige Schauspieler Heinz Reineke. Die „Hör-zu“-Leser entschieden, wer der beste politische Moderator im Fernsehen ist. Der scheidende Tagesthemen-Chef Hanns Joachim Friedrichs konnte auf diese Weise zum zweiten Mal eine Goldene Kamera in Empfang nehmen., Er wird nach seinem Abschied vom' Fernsehen den Rest seines Lebens „nicht rotweinflaschenköpfend in einem Sylter Strandkorb verbringen“, wie Moderator Jauch vermutete. Über eine „Silberne Kamera“ konnten sich Sabine Christiansen und Ruprecht Eser freuen. Platz drei in der Lesergunst und damit eine „Bronzene“ Kamera erhielt Klaus Bednarz.

Als den „frechsten vorwitzigsten Agent provocateur“ bezeichnete Jauch den Entertainer Hape Kerkeling, der erst kürzlich als verkleidete Königin Beatrix in die Schlagzeilen kam. Kerkeling hatte sich vorgenommen, keine Witze zu machen. Für seine „Goldene Kamera“ hat sich der 26jährige schon einen Namen ausgedacht: „Oscar“ soll sie heißen.

Die illustren Gäste wurden nach dem offiziellen Teil, den das Dresdener KraußQuartett musikalisch umrahmte, zum Büffet mit Aussicht auf das Panorama Berlins im Sonnenuntergang geladen .