DIE TAGESZEITUNG
Jan Feddersen

'Pierrot' im Abwärtstrudel Esoterisches Zeitgeist-Magazin verkauft sich schlecht

25. Maertz 1991

Herausgeber Hermann van Veen zieht sich stillschweigend zurück

Kinozeitschriften tun’s, Stadtteilmagazine sowieso, kleinere Zeitschriften auch: Sie alle veröffentlichen gerne geschönte Auflagenzahlen. Der Grund der branchenüblichen Mogeleien ist simpel: Mit höherer Auflage läßt sich ein besserer Anzeigenpreis erzielen.



Nur so, gibt ein Programmzeitschriftenmacher in Hamburg an, sei es überhaupt möglich, die teuren Schriften auf deri Markt zu bringen. Auch linke Magazine operieren gerne mit Zahlen, die in summa nur den Schluß zulassen, daß der bundesdeutsche Durchschnittsmedienkon-sumentandie 100 Objekte pro Monat konsumiert.

Einer inzwischen wieder in Hamburg erscheinenden Zeitschrift aus der Friedens- und Esoterikszene gerät ihr Mut zur Ehrlichkeit womöglich zum ökonomischen Fiasko: Die Rede ist vom 'Pierrot1. „In der Tiefe eines jeden Herzens gibt es ein paar Tropfen Liebe“, hieß es noch Anfang Dezember im Editorial der Winterausgabe der Zeitschrift. Herausgeber war damals noch der niederländische Schlagersänger Hermann van Veen.

Inzwischen ist der in jüngster Zeit durch die von ihm erfundene Figur der Ente 'Alfred Jodokus Kwak1 wohlhabend gewordene Sänger offenbar von seiner Herzensangelegenheit zurückgetreten. In der neuesten Ausgabe des in Hamburg beheimateten Magazins wird der in Kreisen der Friedensbewegung und der Alternativszene sehr geschätzte Mann nur noch als „Mitarbeiter dieser Ausgabe“ geführt.

Erklärende Worte der Redaktion, die den Erfolg ihres Periodikums (Auflage: 50 000, Expertenschätzung: 23 000) maßgeblich dem Namen ihres vormaligen Patrons zu verdanken hat, sind indes nicht zu finden. Auch der Rang Alois Kurzmanns, der Anfang der achtziger Jahre das Blatt konzipierte und es, so wörtlHich, mit „ideeller Hilfe“ Hermann van Veens in den für ökologisch-angehauchte Titel jedweder Art boomenden Markt hob, hat sich verändert: Bis vor kurzem noch Chefredakteur, firmiert er nur noch als presserechtlich „verantwortlich“.

Den Niederländer („Ich hab' ein zärtliches Gefühl“) kümmert’s offenbar wenig, denn länger bereits, so schätzen Insider, behagt ihm das chronisch defizitäre Blatt im Stile eines teuren Hochglanzmagazins nicht. Von einer neuen Entwicklung, dem Rückzug Hermann van Veens aus dem harten Zeitschriftengeschäft, mag Kurzmann, dessen ehemaliger Tourneebetreuer, nichts wissen: Mit „Distanzierung“ habe der Wechsel in der Nomenklatur nichts zu schaffen. Vielmehr sei ’Pierrot* auf gutem Wege, „noch mehr Erfolg zu haben“.

Auffällig nur, daß der Rückzug des Kwak-Vaters aus der Herausgeberschaft das Anzeigengeschäft fast zum Erliegen gebracht hat. Gemun-kelt wird, daß die auch im ostdeutschen Geschäft mit 14 Titeln heftig engagierte „Gecco Kommunikation“ kaum noch Lust verspürt, für ein Produkt zu akquirieren, das kaum höhere Gewinnerwartungen weckt. Auch ist dem Anzeigengeschäft schlecht bekommen, daß die am St. Georger Pulverteich 18 residierende ’Pierrot‘-Geschäftsführung nicht mehr mit Phantasiezahlen operiert, sondern offen einräumt, nur 14 000 Exemplare zu verkaufen.

Der vormalige Anzeigenleiter Robert Mayer warb noch mit „80.000 und mehr“ Exemplaren des ’ Pierrot1, die „ganz sicher als Druckauflage“ über die Rotationsmaschinengehen. Kurzmann entschied sich kürzlich, dem lahmenden Anzeigengeschäft beizukommen: „Wir werden die Agentur wechseln.“ Martin Asmus von „Gecco Kommunikation“ wußte hingegen von diesem Entscheid noch nichts, meinte gleichfalls, daß das Akquisitionsgeschäft keinesfalls am Boden liege, sondern nur „derzeit nicht sichtbar“ werde, weil das Magazin von vierteljährlicher auf zweimonatliche Erscheinungsweise umgestellt wurde.

Der Ente Kwak indes wird der Trubel um die Zeitschrift, die „in keine Schublade paßt“ (Kurzmann), meist mit schlichten Bekenntnissen zur Mutter Natur, zu Kindern und kleinen Händen aufwartet, sowie — nach Insiderangaben — im Laufe des vergangenen Jahres Verluste in sechsstelliger Höhe schreiben mußte, sicher überstehen. Aus dem Freundeskreis van Veens heißt es, mit Kwak sei „einfach mehr Kohle zu machen“ als mit clownesken Magazinen.



Jan Feddersen