Westfalen-Blatt

Erst nach fünf Zugaben total erschöpft entlassen

Herman van Veens Triumphe in der Oetkerhalle

25 feb 1984

Bielefeld (sig). Ein ohrenbetäubendes Dröhnen, ein schrilles Pfeifen, helle Blitze, dann ein alles übertönender Donner, die Erde bebt... und sekundenlange Stille. Der Vorhang ging zu. Darauf brach der Applaus aus, der zu der vorigen Szene gar nicht paßte. Es war, als wollte sich das Publikum von einer Last befreien. Die "Bombe" war gefallen. Herman van Veen hatte sie geworfen und das Publikum in die Pause geschickt, die noch lange Gesprächsstoff über die letzte Szene lieferte.


Dabei hatte das Programm in der Oetkerhalle so ruhig angefangen: Vor ausverkauftem Haus erschien der "Otto für Abiturienten", Herman van Veen, ganz in Weiß, und ließ seinen neuesten Erfolg hören: "Die Bombe fällt nie." Dies war der eigentliche Auftakt seines neuen Programms "Signale", das er am Donnerstag und Freitag in der Oetkerhalle vor einem begeisterten Publikum in Bielefeld vorstellte und das sofort nach seiner Erstaufführung in Holland zur "besten Kabarettvorstellung der Saison" gekürt worden war.

Wer sich vor allem sozialkritische Stücke von dem holländischen Allroundkünstler erhofft hatte, sah sich in der ersten Hälfte seines Auftritts enttäuscht: Der Sänger, Poet, Instrumentalist und Pantomime zeigte sich anfangs größtenteils von seiner poetischen Seite. Wenig Lieder, dafür um so mehr Texte, Pantomime und Szenen zeigte er dem überwiegend jugendlichen Publikum. Mit geringem Aufwand schlüpfte er in viele verschiedene Rollen: Einen Pennbruder, einen Homosexuellen oder einen Rocker und meisterte es perfekt, unterschiedliche Stimmungen und Gefühle exzessiv darzustellen. Mit bewundernswerter Genauigkeit spielte er den Menschen mit all seinen Fehlem und Schwächen: naiv, neugierig, schuldig, ahnungslos und wieder naiv. Dabei ließ er Witz und Satire zu einer Einheit verschmelzen, daß es dem Publikum schwerfiel, zu entscheiden, ob es lachen oder weinen sollte.

Doch auch hier fiel Herman van Veen etwas ein. Immer wieder die Nähe des Publikums suchend, bezog er dies in seine Lieder mit ein. Den Satz "Wir sind hier in Bielefeld ... das war ja früher auch einmal Holland" oder "I feel like a Bielefelder and we are so happy to be here in Belgium" verzieh man ihm da schmunzelnd gerne.
In der zweiten Programmhälfte ging es dann doch etwas härter zur Sache. Vor dem Problem der Ausländerarbeitslosigkeit machte er keineswegs halt und sein Lied "Gebt jetzt ein Zeichen" aus der neuen Her- man-van-Veen-LP "Signale" setzte als Appell an alle Völker und Systeme um Frieden und Verständigung ein wirkliches Zeichen.

An vielen Stellen dieses zweiten Teils merkte man dem Vertreter der etwas leichteren Muse seine innere Erregung und Verständnislosigkeit der Gleichgültigkeit gegenüber an.
Nach seinen glanzvollen Triumphen im Mekka seiner Zunft, dem Broadway in New York, zeigte ihm das Bielefelder Publikum jedenfalls, wie sehr man ihn hier schätzt:

Erst um halb zwölf und nach mehr als fünf Zugaben entließ man den total erschöpften Künstler.