Mittelbayerische Zeitung

'Enorme Bandbreite einer Traumwelt

Ein bezaubernder Herman van Veen in der Donauhalle / „Aha, Regensburg"

14. November 1988

Er erlebt nach wie vor seine „seltsamen Abenteuer“, der holländische UNICEF-Botschafter, Clown, Sänger, Schauspieler, Vater von vier Kindern und vieles mehr in einer Person: Hermann van Veen, -inzwischen 43 und kein bißchen laut. Die Art und Weise, wie dieser Mann seine Botschaften vermittelt, puren Witz genauso wie schwermütigen Zynismus versprüht, ist immer noch so unvergleichlich subtil, daß sie schlicht-weg verblüfft. In der Regensburger Donauhalle betrat er die Bühne und sagte zunächst nichts, sondern schnüpperte, bis nach einiger Zeit ein Lächeln der Erkenntnis über sein Gesicht flog: "Aha, Regensburg“.


Was folgte, ist schwer zu kategorisieren. Hermann van Veen nur als Entertainer zu bezeichnen, würde seinem Engagement nicht gerecht, wollte man ihn einen pointierten Poeten nennen, wäre nichts über seinen allgegenwärtigen Humor gesagt, und ihn mit dem Attribut des „Liedermachers“ zu belegen, wäre einfach eine Beleidigung. Van Veen verzaubert. Er entführt das gebannte Publikum in eine Welt der Illusionen, läßt es seine (Alp-)Träume miterleben und seine. Gefühle miterfahren, spielt mit der Magie und der Märchenhaftigkeit.

Van Veen macht lachen. Ob er mit seiner Familie „telefoniert“ und dabei für sie — das Publikum — Dialektprobleme neu definiert („Deutsch ist Holländisch mit einem merkwürdigen Akzent, wie wenn Opa besoffen ist“), im Clownskostüm mit Humphrey-Bogart-Typen rivalisiert oder mit einer ihm nachgebildeten Puppe auf einem Sarg tanzt, den er zuvor für die Inszenierung seines eigenen „Todes“ benötigte, einige große und unzählige kleine Gesten und Bemerkungen sind überwältigend witzig.

Doch van Veen macht auch nachdenklich. Immer wieder scheinen melancholische Momente durch, in denen er - ganz typisch - unter anderem seine eigenen Kinder die Dinge hinterfragen läßt, um sein eigenes Unverständnis vielen Dingen gegenüber zum Ausdruck zu bringen: „Wer erklärt mir das?“ -Und so augenzwinkernd er banale Themen wie Bodybuilding oder Boris Becker persifliert, so unverblümt geht er zur Sache, wenn es etwa um die steifen Dogmen der katholischen Kirche geht.

Trotz aller Ungezwungenheit: Die „Show“ des Holländers ist bis ins Detail ausgeklügelt, und weder mit Requisiten noch mit technischen und elektronischen Tricks wird geknausert, obwohl er genauso gut ist, wenn er alleine eine Geschichte in fiktivem Japanisch erzählt, die trotzdem jeder versteht. Doch nur die enorme Bandbreite macht die Traumwelt des Hermann van Veen möglich, nur sie läßt es selbstverständlich erscheinen, wenn er am Ende nach seiner Version von Cohens „Suzanne“ den Licht-Spot in der Jackentasche verschwinden läßt, den Sensenmann in die Kiste wirft und quer über die Stuhlreihen kletternd abgeht — um anschließend zu endlosen Zugaben zurückzukehren.