Das Volk
Sergej Lochthofen

„Ich möchte ein Clown sein, der Musik macht"

24 nov 1987

»Ich kann mit Negativität nichts anfangen" — ein viel zitierter Satz von Herman van Veen. Woher nehmen Sie die Kraft, die Dinge positiv zu sehen?
Mir geht es wie vielen anderen Menschen, ich habe enorm viel Angst. Dem zu begegnen gibt es nur eine Möglichkeit: Man muß die Umstände, in denen man lebt, verändern und man muß versuchen sich selbst zu ändern. Ich versuche das mit meinen Mitteln zu tun. Es geht nicht darum, ous dem Negativen heraus das Negative zu zeigen, sondern vom Positiven auszugehen.

Deutsch ist nicht Ihre Muttersprache, dennoch hat man das Gefühl, Sie beherrschen bis ins feinste ihre Nuancen. Nicht anders scheint es Ihnen mit Englisch oder Französisch zu gehen. Sie sie zu all Ihren Talenten auch eine Sprachenbegabung?
Keineswegs. Ich erinnere mich sehr wohl noch an meinen ersten Auftritt in deutscher Sprache vor 15 fahren in Köln. Damals glaubte ich wirklich, durch das pure Aus-wendiglernen der Texte sie auch richtig bringen zu können. Der Auftritt ist noch heute für mich ein Alptraum.

Ein gutes Drittel des Jahres sind Sie auf Tournee, dann kommen die Arbeiten im Studio, im Theater etc. Wann und wo arbeiten Sie an neuen Ideen?
Im Prinzip überall. Vieles entsteht auch unterwegs. So werde ich auch, ausgehend von den Erfahrungen der Tourrree durch die DDR, einiges machen. Oder, mir fällt gerade jetzt,! wo einer Ihrer Kollegen das Objektiv auf mich richtet, ein, es wäre reizvoll, auch durch einen einmal die Welt Fotoapparat zu sehen. Man könnte das eine weglassen und das andere hervorheben, bei jedem Klick geht etwas verloren ... Eigentlich kein schlechter Gedanke.

Jetzt kommt bei Ihnen der Clown durch, der sich ja auch auf der Bühne zuweilen austoben darf. Was ist nun Herman van Veen, ein Liedermacher, ein Sänger, ein Musiker, ein Schauspieler... ?
Ich möchte ein Clown sein, ein Clown, der Musik macht. Vor allem geht es mir darum, das zu tun, was mir Spaß macht. Mit dem, was mir Spaß macht, habe ich auch den größten Erfolg. So bin ich überzeugt: Wenn du das tust, was du wahnsinnig magst, so wirst du auch Erfolg haben.

Sie haben sich in der Vergangenheit sehr für UNICEF eingesetzt, steht etwas Neues auch für Kinder auf Ihrem Programm?
Wir hoben gerade vier Filme für Kinder gedreht. Sie heißen »Die seltsamen Geschichten der Clowns”. Da macht zum Beispiel auch Gisela May mit. Sie spielt meine strenge Schwiegermutter. Vor ein paar Monaten hatte ich darüber hinaus in der DDR mehrere Konzerte mit der Ente Quak für UNICEF gegeben.

Nach einem Live-Konzert mit Herman van Veen kann man sich Studioaufnahmen für eine neue LP schlecht vorstellen. Ist das nicht ein echtes Problem für Sie, daß eben nicht alles, was auf der Bühne passiert, in die schwarze Rille zu ritzen ist?
Ja, das ist ein klarer Nachteil. In meinen Aufführungen ist immer von einem Beitrag zum anderen eine Brücke, eben viel Clownerie. Insofern ist das blöd. Auch mit Live-Mitschnitten läuft das nicht. Und dabei 'bin ich ein typischer Live-Künstler. Im Studio klappe ich zu.

Sie haben zum Schluß Ihres Weimarer Konzertes erwähnt, im August gemeinsam mit Kunze auf Tournee durch die DDR zu gehen. Welche konkreten Vorstellungen gibt es dazu bereits?
Zum einen wird jeder einiges aus seinen Konzerten herausziehen, zum anderen werden wir auch mehrere Sachen zusammen machen. Wir haben ein paar Lieder gemeinsam geschrieben. Davon habe ich bereits in Weimar etwas gesungen. Er fand die Idee wunderschön, ich fand sie auch wunderschön. Und warum nicht?



Die Zeit tickt
dir eine kleine Frist,
tickt die Schärfe aus dem Zwist,
tickt dich hierhin,
tickt dich dorthin.

Die Zeit tickt
dir Falten auf die Stirn,
manche Pläne aus dem Hirn,
tickt dich wund
und tickt dich zynisch.

Die Zeit tickt
dein Leben schnell vorbei,
tickt dich fest und tickt dich frei, und der Hahn kräht: Guten Morgen.

Die Zeit tickt die Ecken rund
und tickt dich gesund,
tickt die Dornen von den Rosen.

Die Zeit tickt die Lüge wahr,
tickt das Trübe klar
und macht die Dummen klüger.

Die Zeit tickt die Sonne auf die Welt, und wenn sie herunterfällt dann ist die Uhr...
kaputt.





Sergej Lochthofen