Essener Tageblatt
Thomas Wiltberger

Herman van Veen in der Westfalenhalle

Lieder mit Seele und humanem Engagement

24 nov 1981

Dortmund. "Es ist inzwischen Mode, verinnerlicht zu sein." Herman van Veen ist dieser Gefahr, die er deutlich sieht, sicher nie erlegen. Er horcht sensibel in sich und seine Umwelt hinein, gibt sich seinen Stimmungen und Träumen hin, läßt seine Gedanken scheinbar ziellos umherschweifen, um dann mit einem Satz pointiert seine Absicht darzulegen. Das macht den Reiz des Herman van Veen aus, und deswegen war sein Konzert am Sonntag in der Dortmunder Westfalenhalle auch ausverkauft.


Ohne erhobenen Zeigefinger

Das Erfreuliche bei Herman van Veen ist, daß er auf den allzuoft erhobenen Zeigefinger verzichtet, vielleicht auch verzichten muß, um seine Glaubwürdigkeit nicht zu verlieren. Sein Engagement für den Frieden, der subtil artikulierte Wille, in einer unmenschlichen Umwelt zu überleben - und das unter den Bedingungen, die er persönlich als menschenwürdig ansieht - , all das verträgt sich nicht mit schulmeisterlicher Attitüde. Van Veen kanr^sich freuen wie ein Kind und ebenso Trauer empfinden, er versteckt sich nicht hinter aufgesetzten Haltungen, sondern ist er selbst.

"Ich bin was ich glaube," sagt er, und er ist Clown, manchmal Harlekin, Tänzer, Pantomime, Sänger, Geiger, Träumer, Hoffender, Zweifelnder, Mensch. Wenn man mit ihm (oder auch über ihn) lacht, bei seinen Tanzeinlagen, bei seinen Leben atmenden Per siflagen auf den Jesus-Superstar-Kult der Popszene oder seiner improvisierten Schubert-Parodie auf die kleine Fliege, die ihn beim Erzählen ablenkte, spürt man Nähe, nicht nur zum Nebenmann, der mitlacht, sondern auch zu dem Menschen auf der Bühne. Van Veen macht den Zuhörer betroffen; oft, vielleicht sogar zu oft erkennt man eigene Verhaltensmuster in den Liedern. Man denkt nach über den angepaßten Freund, der so geworden ist wie diejenigen, die er früher so sehr verachtete. Man sieht Herman van Veen im Käfig wie ein gefangenes Tier, möchte ihm helfen - und stößt sofort wieder an die-eigenen Grenzen.

Zärtliche Erinnerungen

Die stärksten Eindrücke, Augenblicke von ganz zärtlichen Erinnerungen ("Saison") und sensiblen Berührungen, waren sicherlich bei den Liebesliedern zu vermerken. Zusammen mit Erik van der Wurff (Keyboards), dem langjährigen Begleiter und Freund, dem Schlagzeuger Henk Zomer und dem Bassisten Cees van der Laarse schuf Herman van Veen eine sehr dichte Atmosphäre vom menschlichen Miteinander. Daß daneben vom Publikum auch an falschen Stellen gelacht, daß wohl auch einiges mißverstanden wurde, schmälert nicht das Erlebnis, einem Menschen wie Herman van Veen begegnet zu sein. Für alle, die keine Karten mehr bekommen haben:

Am 26. Januar ist er wieder in Dortmund.



Thomas Wiltberger