Tageszeitung
RAINER R. SEIPEL

Getröstet von Herrrman

24. April 1989

Sein zärtliches Gefühl hat er sich immer noch bewahrt, aber sonst klagt er deutlich: „Das einzige, was sicher ist -daß heute nichts mehr sicher ist.“ Erkenntnisse eines Clowns. Nach vier Jahren Pause ist Herman van Veen endlich wieder in München (nach zwei Auftritten am Freitag und Samstag wieder vom 25. bis 29. April und 2. bis 6. Mai im Deutschen Theater).


Ganz klar: hingehen! So einen haben wir nicht im Dutzend, der uns aufstachelt, mit der Nase in den Mist stüpst und doch wieder in den Arm nimmt. Er läßt uns kochen vor Wut (über uns, die Politiker, die Umweltsauereien, einen Seitensprung) und Rotz und Wasser heulen über - ja, eben sein zärtliches Gefühl für sein Kind, seine Frau, seine Mutter, für uns.

Charme & Biß

Seit 20 Jahren ist dieses Jahrhundert-Talent an Charme und Biß, an Klamotte und Philosophie jetzt unterwegs, und wenn van Veen sich auch bisweilen wiederholt (er tut es mit Grandezza), immer wieder eine Neuentdeckung.

Der Mond als seine Erkennungsmarke ist untergegangen, kommt einfach nicht mehr vor. Jetzt liegt die Welt als großer bunter Ball irgendwo auf der Bühne herum. Die Menschheit als Fußball, den er allerdings nicht tritt, sondern sorgsam im Kinderwagen schiebt. Voller Symbole die Inszenierung mit acht Musikern und Schauspielern.
Die Texte hat Thomas Woitkewitsch liebevoll ins Deutsche übertragen. Es ist schon später als fünf vor zwölf, aber Nebbich, Herrrman tröstet uns ja drüber weg. Ein lieber Freund, und was für ein Entertainer! Kasperl (verdoppelt auch in einer bis zur Glatze identischen Handpuppe), Sänger, Tänzer, Pantomime (Meisterstücke der Boris Becker in Zeitlupe oder der japanische Kämpfer), Geiger, Pianist. Knapp drei Stunden Programm mit acht Zugaben: das Publikum war glückselig. Mit Recht.



RAINER R. SEIPEL