fuerstenfeldbrucker tagblatt
Michael Müller

Kraftwerk van Veen

Konzert in München

24. April 1989

Der Mann ist wie ein Kraftwerk; es brodelt in ihm und treibt ihn um: Herman van Veen mischt mit im Film- und Fem-sehgeschäft, er inszeniert, schreibt, gibt ein Magazin heraus, fördert junge Talente, ist bei UNICEF engagiert, produziert Schallplatten, reist mit seinen Programmen quer durch Europa. Titel des jüngsten: „Bis hierher und weiter“. Dennoch ist seine Gemeinde nicht eben überwältigend, die in München reicht wohl gerade aus, das Deutsche Theater zu füllen.


Das wird am hohen Anspruch liegen; denn der Holländer macht’s dem Publikum nicht leicht. Es mag halt klar beschriftete Etiketten und ist rasch irritiert, wenn eine neue Ware alten Erwartungen nicht genügt. Und das ist bei Herman van Veen immer drin. Er hat so viele, scheinbar widersprüchliche Gesichter. Ist mal Clown, mal Poet; mal Romantiker, mal Realist; mal Traumtänzer, mal Prediger. Das Mischungsverhältnis variiert er stets neu; diesmal mehr zugunsten des Show-Spielers.

Das hat einen besonderen, vor allem auch ästhetischen Reiz. Er springt aus einer Situation in die andere, wechselt Rollen und Masken. Aus dem eben noch unbeholfenen Lackl wird, ohne daß man’s merkt, der elegante Tänzer; dann der Grotesk-Pantomime, der beschwörende Magier, der Sänger, der Harlekin. Ein Chamäleon, das sich ständig wandelt.

Dieses Wechselspiel scheint inspiriert von der Laune des Augenblicks, folgt aber natürlich einer kunstvoll ausgeklügelten Choreographie. Zu der gehört Bewegung, Farbe, Licht, ein paar spielerisch genutzte Requisiten, die wohldosierende Drei-Mann-Combo (Gitarre, Saxophon, Synthesizer). Und der Liedermacher van Veen, ein eigenes Kapitel, und ein besonders sympathisches: Er ist Moralist aus Überzeugung und mit sehr hoher Überzeugungskraft; sie resultiert aus gutem Geschmack und Bescheidenheit. Wobei Letzteres 1 vermutlich die kommerzielle Erfolgsbremse ist.

Wo rundum gebrüllt wird, da bleibt der Redner leicht imgehört.