Bielefelder Tageblatt

Mitreißende Gratwanderung zwischen Melancholie und befreiendem Lachen

Herman van Veen mit vielseitigen "Signalen" in der Oetkerhalle

24 feb 1984

Bielefeld (kaz). Herman van Veen: Meister einfühlsamer Worte und sanfter Tone grotesker Clown und beredter Pantomime. tänzerischer Akrobat, Schreihals und Geiger. Es ist schwer, den 38jährigen Mann aus Utrecht in den Niederlanden kurz zu beschreiben. Seine verblüffende Vielseitigkeit zeigte Herman van Veen auch am Donnerstag- und Freitagabend in zwei fulminanten Konzerten in der ausverkauften Oetkerhalle.


"Signale" lautet der Titel seiner Show, mit der er zur Zeit durch die Bundesrepublik tourt, Signale setzt Herman van Veen mit seinen Texten und Aktionen allemal. "Hohe" Politik und ganz verletzlich Menschliches rückt bei ihm eng zusammen, van Veens Bogen bleibt vom eingängigen "Die Bombe fällt nie" bis hin zu einer der Zugaben "Ich hab ein zärtliches Gefühl" straff gespannt.

Herman van Veen stellt hohe Anforderungen an sich, seine Musiker und an sein Publikum. Er nimmt die Menschen mit auf eine Gratwanderung zwischen Melancholie und Gänsehaut und schallendem, Tränen in die Augen bringenden Lachen. Er tobt und tanzt hemmungslos herum, produziert grotesken Klamauk und ist schon im nächsten Moment wieder innig, unglaublich verletzlich und ernst. Er ist ein Harlekin, schlupft in Rollen. die mal erschütternd und traurig sind, schreckt dann aber nicht vor ausgelassener Komik zurück. Eine beinahe unglaubliche Mischung, über die sich streiten läßt, die aber bei einem Großteil der Zuhörer Begeisterung erzeugte.

Großartig unterstützt von den vier Musikern Nard Reijnders an Saxophon und Klarinette, Cees van der Laarse mit Gitarre und Baß, Chris Lookers als virtuoser Gitarrist und vor allem Erik van der Wurff als Tastenmann bringt er hinreißendes musikalisches Theater auf die Bühne.
Seine Instrumentalisten drehen voll auf, wenn Herman mit Rock 'n' RoM oder Blues losfezt, halten sich aufmerksam zurück, wenn der Mann am Bühnenrand ganz besinnlich, leise wird.

Es sind die ruhigen, sensiblen Passagen der "Signale", die wirklich unter die Haut gehen. Wenn Herman van Veen von Menschen singt, die kaputt gemacht und zerbrochen wurden, die sich scheinbar ohne Grund an einem ganz alltäglichen Tag unendlich traurig fühlen, von abhanden gekommenen Lieben und wehmütigen Erinnerungen, dann zeigt er all seine Empfindsamkeit.
Das sichere Gespür für ganz leise Gefühle und unbemerkte Entwicklungen und die Fahigkeit das sowohl musikalisch als auch pantomimisch darzustellen, zeichnet ihn aus, macht ihn so ungeheuer menschlich.

Doch dann ist er wieder da, als Clown, der die hohe Kunst des Grimassenschneidens und der fein-eindeutigen Bewegungen perfekt beherrscht. Der es genießt, mit seinem "Bielefeld" zu spielen und augenzwinkernd hintergründig, engagiert und kritisch Spaß und Ernst temperamentvoll verknüpft.

"Standing Ovations", Raketenklatschen und dazwischen viele van Veensche Leckerbissen als Zugabe beschlossen ein Dreistundenkonzert, daß Bielefeld noch lange in Erinnerung bleiben wird.

"Herman gib alles!" kam es aus den Rängen. "Dann wird es spät", gab Herman, der so gut wie alles gab, zurück.

Es hätte ruhig noch länger^ dauern können. '