BERLINER MORGENPOST
Lubo

Das Grauen wird mit böser Poesie garniert

23.Maertz 1993

„Du weißt nicht, was du siehst, du siehst nicht, was du weißt“: So heißt nicht nur ein Lied von Hermann van Veen, sondern diese Zeilen sind auch so etwas wie sein Programm.


Der holländische Rattenfänger, zu dem die Fans in Scharen in die Hochschule der Künste strömten, sang nicht etwa (nur), was er meint, sondern ebenso wichtig ist das, was er nicht ausspricht. Man muß schon genau hinhören, um mitzubekommen, was Hermann van Veen mitzuteilen hat.

Hintergründiges kommt auf leisen Sohlen

Sänger, Clown, Geiger, Mime, Conferencier ist er, aber eigentlich und ausschließlich ein Geschichtenerzähler. Hermann van Veen teilt Empfindungen und Empfindsamkeiten mit, vor allem aber erteilt er Lektionen, die nie als solche über die Rampe kommen. Er schüttet dem Publikum das Lachen kiloweise zu, doch es kann einem schon mitunter im Halse stecken bleiben, wenn man nicht aufpaßt. Und genau das ist der Punkt, auf den es Hermann van Veen ankommt.

Das Hintergründige, das auf leisen Sohlen daherkommt, das Grauen, das mit einem unschuldigen Lächeln serviert wird, die Ungeheuerlichkeit, die mit böser Poesie garniert ist, sind seine Stärken.

Ein Lied wie „Grand Hotel Deutschland“ eröffnet den Abend. Und wenn es nur wegen dieses Songs gewesen wäre, daß man dabeigewesen ist, dann war dieser Abend den Ausflug wert.

Was Hermann van Veen da mit ein paar Zeilen, einer kleinen Melodie und ein paar Gesten hinwirft und skizziert, ist unsere ganze aktuelle Gegenwart.

Aber auch eine Liebesweise wie „Guigui“, voller Wehmut und Schmerz, gehört ebenso zu den

Höhepunkten des neuen Programms wie seine Ballade „Ein Foto“, wo der Clown sich einmal mehr hinter seiner Maske sehen läßt und seine ganze Zerrissenheit zu zeigen wagt.


Das Publikum raste vor Glück. (Wiederholungen vom 23. bis 27. März und vom 30. März bis zum 3. April)



Lubo