Westfalenpost
Ulrich P. Schäfer

Schöner als Michael und langsamer als Boris

Herman van Veen auf Tournee bei seinen deutschen Fans

232 März 1989

Essen. (WP) Wer ist das? Er setzt sich eine Plastiktüte auf den Kopf, schiebt die Pappnase auf die Stirn und singt ein Lied über die Einsamkeit im Alter. Dann geht er in Kung-Fu-Stellung, läßt Silben in bunter Folge durch die Luft schnellen und besitzt die Frechheit, das für Japanisch auszugeben. Darauf zeigt er, daß er viel schöner ist als Michael Jackson und auch viel besser tanzen kann, oder jedenfalls lustiger.


Natürlich ist das Herman van Veen. Jetzt ist er 44 Jahre alt, wieder auf Deutschland-Tournee und gestern im Essener Saalbau angekommen. In den großen Städten der Republik füllt er spielend die zweitgrößten Säle, begleitet von drei Musikern, einer Reihe von Kisten mit Requisiten und vie- len kleinen Holland-Fähnchen.

Die hohe Stirn und das mächtige Kinn dehnen sein Gesicht im Übermaß. Das ist die ideale Voraussetzung für eine Boris-Becker-Parodie, ein pantomimisches Glanzstück, bei dem ihm sogar der Speichel in Zeitlupe aus dem Mundwinkel tropft.

Um welche Themen es in seinen Liedern geht? Ach, ganz einfach: das Leben von der Geburt bis zum Tod. Ein wunderschönes Wiegenlied für seine Tochter Anne singt er, und dann stellt er sein Sterben dar, so fröhlich, wie es sich jemand wünschen kann, der ein Leben vor dem Tod gelebt hat. Manchmal hüpft er auch nur einfach über die Bühne.

Im wunderbaren Gegensatz zu seinen sterilert Fernsehauftritten stehen diese Konzerte. Der Clown und seine Zuschauer kommen sich nah, und wenn er dazu über die Stuhlreihen bis in die hinteren Reihen klettern muß. Mancher beschließt im stillen, sein Leben zu ändern: Ab morgen sind wir auch spontan, zärtlich, kreativ und engagieren uns für die Kinder in der Dritten Welt.


So gegen Viertel nach zehn beginnt das Zugabenritual. Die einzelnen Lieder muß sich das Publikum mit rhythmischem Klatschen erbetteln. Erst wenn der Meister 50 Minuten später allein vor den Vorhang tritt und um Rücksicht auf sein fortgeschrittenes Alter bittet, wissen die Zuhörer, daß nun keine Zugabe mehr kommt.


Am nächsten Morgen sitzen wir wieder pünktlich im Büro.



Ulrich P. Schäfer