Kreiszeitung Böblinger Bote
LUDWIG MA1ER

Van Veens nette Lieder

23 feb 1984

STUTTGART. Restlos ausverkauft war das Konzert von Hermann van Veen. Und so füllten seine Fans das Foyer der Stuttgarter Liederhalle. Eine bunte Mischung war da angetreten: Von Jeans und Schlabberlook bis Anzug und Abendkleid war alles vertreten, vom Müslipärchen bis zum leitenden Angestellten mit Gattin.


Und dann ging es los. Zu Klängen von Bach taucht van Veen aus dem Publikum auf. Ganz in Weiß, eine Geige in der Hand, den Geigenkoffer umgehängt, singt er ein nettes holländisches Liedchen. Er muß verliebt ln seine Stimme sein, denn immer wieder geht er demonstrativ vom Mikro weg und singt mit geschwellten Halsadern in den Saal. Das Publikum ist begeistert.

Die Band gruppiert sich locker im Hintergrund und weiter geht es mit harmlosen und unverfänglichen Texten. Der Aufbau seiner Lieder ist einfach und zeichnet sich durch Wiederholungen aus. Sie künden von den täglichen Sorgen und Freuden des von der "Midlifecrisis" gebeutelten Kleinbürgers. Es gibt auch Politisches, obwohl es sich laut van Veen nicht lohnt politisch zu sein.

Aber es ist gerade Mode, und so bringt er ein Lied mit dem Titel: "Die Bombe fällt nicht." Gefolgt von einer milden Satire auf die Technikgläubigkeit, die mit einer Explosion endet. Er hätte es sich schenken können. Ebenso die sozialkritische Einlage, in derer einen Arbeit suchenden Ausländer moralinsauer bis zur Peinlichkeit mimt.

Das reicht ihm noch nicht, er krönt das Machwerk mit dem Spruch: "Der Arbeitslose hat Zeit zum Schmusen. Er kann sich darauf spezialisieren." Zum Glück war der Eintrittspreis hoch, so daß kein Arbeitsloser diese Unverschämtheit ertragen mußte.

Van Veen begreift sich nicht nur als Komponist und Sänger, sondern auch als Clown und Tänzer. "Wenn ich traurig bin, bin ich glücklich wenn ich singen kann. Noch glücklicher bin ich, wenn ich tanzen kann." Und er muß an diesem Abend ganz schön glücklich gewesen sein, denn er tanzte wie ein rasender Derwisch und hoppelte wie Otto über die Bühne.

Er läuft in verschiedenen Gangarten hin und her und hat jedesmal ein anderes Requisit dabei: das Publikum tobt (vor Freude!), ln seiner Pantomimen wird er mystisch bis zur Unverständlichkeit. Oder ist der Inhalt genauso banal wie er ihr darstellt? Seine musikalischen Parodien auf Blues- und Rockmusik gehen dem Publikum mehr in das Tanzbein als in den Kopf - vielleichl waren es doch keine Parodien?

Für mich bleibt das genauso un verständlich wie jene bezeichnende Szene in der er einen Verfolgter mimt, durch das Publikum flüchte: und mit Handtaschen beladen wiederauf die Bühne kommt. Aus eine: zieht er zunächst eine Strumpfhosr (Gelächter), dann ein Paar Stöckel schuhe, die er dann anzieht (Gelächter). Wo isl da der Witz? Trot: dieser schwachen Leistungen bekam er von seiner Gemeinde reichen Beifall.

Auch das habe ich nicht begriffen.



LUDWIG MA1ER