National Zeitung
Dieter Buchelt

Miteinander denken und lachen

Der Liedermacher Herman van Veen zu Gast in Gisela Mays "Pfundgrube"

23 jan 1987

Als ein Kind der großen Clownstradition, durch die er sich Vorbildern wie Chaplin, Grock oder Dario Fo verbunden fühlt, sieht sich der 41jährige Künstler. Doch mit diesem für uns so gar nicht herkömmlichen Clownsbegriff, wo auf Maske und Schminke weitgehend verzichtet wird, dafür aber, wie Herman van Veen einmal sagte, gewissermaßen eine Wäscheleine vom Traum zur Wirklichkeit gespannt ist, verbinden sich zahlreiche Talente: Poet, Sänger, Geiger, Tänzer, Schauspieler, Schriftsteller und Filmemacher. Das sind einige Seiten des vielfach begabten Holländers, dey alltägliche Wirklichkeiten aufgreift, um dem Publikum Möglichkeiten anzubieten, mit ihm in gedanklichen Dialog zu treten, miteinander zu lachen oder auch nachdenklich zu sein.


Während der Proben zur Fernsehsendung "Pfundgrube" ergab sich die Gelegenheit zu einem Gespräch mit ihm. Beeindruckend seine Aufrichtigkeit und die Ehrlichkeit gegen sich selbst: "Was ich lebe, muß ich singen - was ich singe, muß ich leben!" Und was er lebt, sind nicht nur die "Abenteuer der kleinen Ente Quak" oder das zärtlich-melancholische "Ich lieb Dich noch". Was er miterlebt und miterleidet, sind vor allem die tägliche Bedrohung des Friedens in der Welt wie auch andere Gefahren, denen Menschen ausgesetzt sind.

Vierzehn Jahre lang war er offizieller Vertreter der niederländischen Jugend bei der UNICEF. Als er im Oktober 1981 während einer Friedenskundgebung vor 450 000 Menschen in Amsterdam auftrat, beeindruckte ihn ein Lied besonders. Es war das von Mikis Theodorakis bearbeitete russische Volkslied "Kraniche" in dem es heißt: "Manchmal denk ich, daß die Soldaten, die im Krieg gefallen sind, nicht unter weißen Kreuzen begraben liegen, sondern Kraniche geworden sind ..."

Immer wieder will van Veen mit seiner Kunst Hoffnungen wecken. Unverständlich und enttäuschend war für ihn, daß beim Treffen von Reykjavik die weitreichenden Angebote der Sowjetunion zur Abrüstung und Rüstungsreduzierung von den USA ausgeschlagen wurden. Große Initiative zeigt er in seinem sozialen Engagement: Beinahe in jedem Monat wird ein diesbezügliches Projekt realisiert, werden zusammen mit seinen Musikerkollegen Mittel eingespielt für Webstühle in Äthiopien oder Bewässerungsanlagen in Nordghana. Dieses Engagement nimmt einen immer größeren Platz in seinem Leben ein. Wenn er glücklich bleiben will, ohne Gewissensbisse zu bekommen, weil er um die Sorgen und Nöte anderer weiß, muß er ständig etwas tun.

Im Februar letzten Jahres, während des "16. Festivals des politischen Liedes in Berlin", wurden seine Lieder von einem begeisterten und sensiblen Publikum auf genommen; das, wie van Veen meint, für ihn zu den schönsten Erfahrungen zählt, die er bisher gesammelt hat. Unter den Konzertgästen war damals auch Gisela May, die ihn kurz darauf in die "Pfundgrube" einlud, wodurch sich beide Künstler auch persönlich kennenlemen konnten. Mit großem Respekt spricht Herman van Veen von seiner Berufskollegin, zeigt sich beeindruckt von ihrem politischen Engagement, der Konsequenz in der .

Für diesen Sommer, im Jubiläumsjahr Berlins, ist ein Gastspiel Herman van Veens am Berliner Ensemble vorgesehen, doch bereits am 1. Februar, um 20.00 Uhr im 1. Fernsehprogramm, kann man ihn mit seinen unverwechselbaren Liedern in der "Pfundgrube" erleben.



Dieter Buchelt