Freisinger Tagblatt
Karl Robert Brachtel

Herman van Veen im Circus Krone

Jetzt kommt seine Heiterkeit zu kurz

22 nov 1979

Der holländische Akzent in Popszene und Showbusiness ist unüberhörbar: von Ekseption bis Rudi Carrell, von George Baker Selection und Pussycat bis Herman van Veen. Seine Zuordnung in diesen Bereich ist sicher unscharf; aber er gehört hierher als Kabarettist und Musiker, als Schauspieler und (gelegentlich, und mehr in dramaturgischer Funktion) als Entertainer. Und er kennt sich in diesem Bereich rundum aus; beim Liederabend, dessen Parodie er in eine Szene einbaut (vom Erlkönig und vom Schicksal eines Waschlappens) ebenso wie im Punk-Rock, wenn er Hermann Broods Plattencover (Mikrophon in der Achselhöhe) nachstellt.


Aber das Wichtigste, gewiß auch das Bedeutendere steuert der Autor Herman van Veen bei. Als Komponist, der sich - gemeinsam mit seinem Tastenspieler und "Musikdirektor"
Erik van der Wurff - eine konkurrenzlose Musik für sein so vielseitiges und ausgefallen besetztes Fünf-Mann-Ensemble schreibt, deren Ahnenreihe von Weill und Satie und vom Jazz herkommt, und natürlich als Dichter, Texter, Schriftsteller, dessen Thematik von der Alltagsbesinnlichkeit bis zur Anklage reicht: als Pazifist und Antirassist, als Kämpfer gegen jegliche Gewalt.
Er weiß aufzurütteln und tief zu treffen; seine Ballade vom clean gewordenen Mädchen, das an der Gleichgültigkeit ihrer Familie zerbricht, wird man nicht so leicht vergessen können. Aber er wird nie zum Prediger, viel mehr ist er ein Harlekin und Satyr, anspielungsreich und direkt, viel direkter als früher.

Und hier wäre vielleicht der Ansatzpunkt für eine Kritik an diesem vielbejubelten, mit unzähligen Zugaben bis nach elf dauernden Auftritt im Circus Krone: daß der Sänger und Rezitator und auch der Autor zu stark zurücktreten hinter der Drastik der Darstellung.

Daß seine überlegene Heiterkeit und Gelassenheit zu kurz kommt, seine Sensibilität, und daß manchmal gar die Geschmackssicherheit angeknackst wird. Möglich, daß das ein neues Stilelement ist und daß Herman van Veen einen rauheren Kurs eingeschlagen hat.

Wir wollen das zur Kenntnis nehmen und akzeptieren, wie es seine Fans schon getan haben.



Karl Robert Brachtel