Ain Post
Max Schmidt

Harlekin aus Holland

22 nov 1979

Vögel zwitschern, als sei man im Park oder im Zoologischen Garten. Da durchschneiden harte Trommelschläge die friedliche Szenerie. Ein Mann ganz in Blau durchquert den Saal, steigt zur Bühne hoch und läßt Konfetti aus hellblauen Kinderstiefeln durch die Lichtkegel der Scheinwerfer zu Boden tanzen.


So kontrastreich wie diese ersten Minuten, von raschen, oft überraschenden Tempo- und Stimmungswechseln geprägt, gestaltet sich das gesamte Zweieinhalb-Stunden-Programm des Entertainers Herman van Veen. Zum Auftakt der zweiten bundesdeutschen Phase seiner (froßangelegten Europa-Tournee 1979/80 durch acht Länder stellte sich der 34jährige Holländer am Sonntagabend einem überwiegend jungen Publikum in der allerdings nur etwa zur Hälfte besetzten Meistersingerhalle in Nürnberg - er kam, sang, spielte Geige, Trommel und Klavier, tanzte, scherzte - und siegte.

Zugabe über Zugabe wurde ihm abverlangt, bis er nach einigen Trimm-dich- Runden durch den ganzen Saal, selbst quer durch Zuschauerreihen, sichtlich abgekämpft im weißen Bademantel singend bat: "Bleib bei mir und geh' nach Haus'."

Herman van Veen erwies sich an diesem Abend in der Noris - unterstützt von einem exquisiten Instrumentalisten-Quintett - als einer der vielseitigsten Unterhaltungskünstler des alten Kontinents. Sein Programm ist geradezu gespickt mit Höhepunkten, musikalisch bestens durcharrangiert und hervorragend choreografiert. Sprühender Witz, der sich mitunter derb-sexuell gibt, bissige Satire und leichtfüßige Parodie wechseln ab mit Liedern zum Sich-Erinnern und zum Träumen, die wiederum mit pointierten gesellschaftskritischen, auch aktuell politischen Aussagen (Afghanistan, Jugoslawien) kontrastieren.

"Harlekijn" - so heißt die "Organisation für multimediale Produktionen", die Herman van Veen vor zwölf Jahren mitbegründete. "Harlekijn" bannte er. sein erstes Bühnen-Programm. Und ein Harlekin ist er heute noch, ein skurriler Spaßmacher, der hinter die Fassaden blickt, der gerade unbequeme Dinge ohne Umschweife beim Namen nennt, wobei er die Zuschauer stets ein wenig im Ungewissen darüber läßt, ob er sich über etwas lustig macht oder es bitterernst meint.

Herman van Veen bietet eine perfekte Bühnenshow, ohne in Routine abzugleiten, glänzend gestaltetes Musiktheater, von dem seine Schallplatten - leider - nur das Hörerlebnis widerspiegeln können.

Wer immer diesen Multi-Künstler live erlebt hat, von dem darf Herman van Veen sicher sein, daß er bei ihm zu Hause bleibt.



Max Schmidt