Aachener Nachrichten
gk

Liebenswerter Entertainer

22 nov 1979

Herman van Veen ist hierzulande längst kein Geheimtip mehr. Für seine Konzerte sind ausverkaufte Häuser nichts Besonderes. So auch Freitag im Aachener Eurogress: In einem mitreißenden Zwei-Stunden-Konzert präsentierte sich der holländische Sänger, Musiker und Entertainer von seiner besten Seite.


. Der Manie des Meisters seines Metiers ent- sprechend war der Start des Konzertes inszeniert: Die Bühne, raffiniert mit blauem Licht angestrahlt, darauf die fünfköpfige Begleitband. Nach den ersten Takten ein dumpfes Getrommele mehr und mehr in den Takt der Musik einschwenkend. Plötzlich erscheint Herman van Veen zwischen den Zuhörern, gekleidet in einen blauen Overall und weißen Leinenschuhen, eine Baßtrommel vor dem Bauch, den Schlegel schwingend. Wie Oskar, der Trommler, in Grass' "Blechtrommel", der in ähnlicher Weise eine Nazikundgebung sprengte.

Van Veen ist halt nicht wie andere etablierte Entertainer. Er ist spontaner, ideenreicher - immer für eine Überraschung gut. Riesenapplaus ^ab es schon nach seinen ersten Liedern. Geradezu hinreißend seine Parodie auf die Schuhmannsche Vertonung von Goethes "Erlkönig": Auf der Grundlage des Originals demonstrierte van Veen seine Stärke. Durch seine Stimme faßte er die Kritik an der klassischen Form in Töne. Zwischentexte fügten eine gegenwärtige Dimension in das Stück. Van Veen malte mit Musik, sein Publikum begriff die Intention.

Die Texte seiner Lieder haben eine große Spannweite. Sie setzen sich mit fast allen Problemen der modernen Gesellschaft auseinander. Hier liegt allerdings auch eine Gefahr: In manchen Stücken erscheint der Text oberflächlich, hat der Zuhörer den Wunsch, Herman van Veen möge intensiver auf Einzelheiten eingehen. Hier würde der Teufel nicht im Detail liegen. Das Publikum will schließlich die Auseinandersetzung. Unkritische Identifikation ist auf dem Gebiet der "leichten Muse" schon längst nicht mehr gefragt.

Herman van Veen ist Sänger, Geiger, Pianist, Tänzer und Pantomime. Seine Darbietungen werden am überzeugendsten, wenn er möglichst viele dieser Eigenschaften gleichzeitig einsetzt. Unterstützt von einer ausgezeichneten Lightshow kommt er dann am besten zur Wirkung.

Herman van Veen ist makaber, satirisch, humoresk, lustig, bösartig und liebenswert. Und das alles zusammen, ohne dabei widersprüchlich zu sein. Selbst in den bösartigsten Textpassagen schimmert ein gewisser Grad an Selbstanklage durch.

Dieser Zug macht ihn wiederum liebenswert und sympatisch.



gk