Fraenkische Nachrichten
Manfred Loimeier

Neugier ist ein Menschenrecht

Das ZDF startet eine Zeichentrickserie mit den Abenteuern der Ente Alfred J. Kwak

22. September 1990

„Guckloch“ (ZDF: Sonntag, 13.30 Uhr)
„Der Mensch ist los!“ hallt ein furchterfüllter Warnruf durch das Zirkuszelt. Kraftlos liegt der Dompteur, ein Pferd, am Boden. Erschreckt stieben die Zirkusleute - allesamt sind sie Tiere - auseinander. Brüllend, tobend, mit bleckendem Gebiß stapft der Mensch in die Manege. Das Publikum - ebenfalls durchweg Tiere - verstummt voller Schrecken und Ehrfurcht. Schon greift der Mensch wie King Kong einst mit seinen Pranken nach der blonden, schönen Jersomina. Doch da tritt Alfred Jodocus Kwak auf.



Benannt nach Alfred Biolek, nach dem holländischen Ausdruck für Witzbold und dem wichtigsten Wort in der Entensprache ist die Ente Alfred Jodocus Kwak der Held einer Zeichentrickserie, die im Kinder- und Jugendprogramm des ZDF ausgestrahlt wird. In vorerst 26 Folgen ist ab 13. Oktober jeweils samstags um 16.35 Uhr zu sehen, wie die neugierige Ente erwachsen wird. Da ist die Geburt Alfred J. Kwaks, der Unfall seiner Eltern und Geschwister auf der Schnellstraße, seine Liebe zu der dunkelhäutigen Winnie. Er kennt keine Rassentrennung, er sammelt Geld, um Wasser in die Wüste zu bringen, er verteidigt Heringe und Wale gegen Fischfängerflotten, ist ein Reisender in Sachen Weltverbesserung.

Daß hinter dieser pädagogischen Fracht an Querverweisen auf das zeitgenössische Weltgeschehen ein Lehrer steckt, überrascht keineswegs. Sogar die Eltern werden nicht geschont, sondern durchaus der Verlegenheit ausgesetzt, ihren Kindern Fragen zu den in sich geschlossenen Serienfolgen beantworten zu müssen. Allerdings sind die Probleme nicht lehrstoffmäßig aufgelistet, und die Unterhaltung kommt keinesfalls zur kurz. Schließlich ist der Autor der Geschichten ein besonderer Lehrer, der nicht nur seit 1968 Botschafter der Kinderhilfsorganisation UNICEF ist, sondern auch 60 Schallplatten besungen hat; er inszenierte Theaterstücke, spielte in Filmen mit, schrieb Kinderbücher und ist eben auch geistiger Vater der Ente Alfred J. Kwak: Herman van Veen.

Schon seit Jahren ist Alfred J. Kwak ein Star. Ins Leben rief ihn der Wunsch des Residenz-Orchesters Den Haag nach einem symphonischen Märchen. Die Lieder Herman van Veens von der Ente erschienen bald auf Schallplatte; ein Kinderbuch folgte, und 1985 kamen Alfred J. Kwaks Abenteuer ins Schauspielhaus Hamburg und ins Opernhaus Graz.

Danach zeichnete Harald Siepermann einen Cartoon, und jüngst erstellte er mit seinem früheren Lehrer Hans Bacher 26 000 Vorlagen für die Zeichentrickserie. Internationale Erfahrung sammelte Harald Siepermann bereits als Charakter-Designer für Robert Zemeckis „Falsches Spiel mit Roger Rabbit“, und derzeit zeichnet er für Steven Spielberg; Hans Bacher schließlich ist ohnehin ein weltweit gefragter Designer für Filmstudios, Werbeagenturen und Fernsehanstalten.

In Holland, wo die Serie bereits läuft, hat Alfred J. Kwak bei den acht- bis 14jäh-rigen schon die höchste jemals erreichte Einschaltquote von 90 Prozent erzielt. Erfolgreich muß die Serie auch sein, denn die aufwendigste Zeichentrickproduktion Europas, deren insgesamt 52 Folgen in Tokio gedreht wurden, kostete 40 Millionen Mark. Der Gewinn, mit dem Herman van Veen rechnet, soll über seine Stiftung in Projekte für die Dritte Welt fließen.

Auf Erfolg setzt ebenso Produzent Denis Livson von der holländischen Firma Telecable. Nicht allein, daß er die Konkurrenten von den Walt Disney Studios ausgestochen hat, er verkaufte die Serie sogar schon nach Frankreich, Italien, Großbritannien, Finnland, Österreich, in die Schweiz und an arabische Fernsehanstalten. Das holländische, spanische, japanische Fernsehen und das ZDF sind ohnehin Koproduzenten. Nach vorsichtiger Vorbereitung will Denis Livson die Ente Alfred auch in die USA schicken. Für die Synchronisation auf deutsch übrigens liehen Ulla Meinecke, Heinz-Rudolf Kunze und der Schauspieler Werner Kraehkamp ihre Stimmen; in Folge eins spricht Herman van Veen den Vater Alfred J. Kwaks selbst. *

Vor Serienbeginn zeigt das ZDF in eigener Sache Beiträge zu Alfred J. Kwak und Herman van Veen. Über die Synchronisationsarbeiten berichtet die Sendung „Guckloch“ am Sonntag, 23. September, um 13.30 Uhr. „Viel mehr als ein Clown“ am Samstag, 6. Oktober, um 16.30 Uhr, ist ein Porträt Herman van Veens, der am Sonntag, 7. Oktober, um 13.50 Uhr, in dem Musikfilm „Rote Wangen“ das „Land von Ooit“ vorstellt, einen Vergnügungspark ohne elektrische Spielereien, aber mit Elfen und Zwergen in Park- und Wiesenlandschaften.
Das soll Neugier auf die Ente Alfred J. Kwack wecken, denn „Neugier“, sagt Herman van Veen, „ist ein Menschenrecht“.



Manfred Loimeier