Die Welt
Klaus Berger

Ein Mann, der fast alle Super-Stars unter seinen Fittichen hat: Karsten Jahnke, der Riese im norddeutschen Pop-Konzertbetrieb

Meine Favoriten sind Herman van Veen und Al Jarreau

22 mei 1985

Karsten Jahnke ist mit zwanzig Millionen Umsatz Hamburgs Top-Konzertmanager - ein Veranstaltungsriese, der mit leichter Hand bis zu fünf Konzerte in einer Woche über die Bühne bringt, ein musikalischer Hans Dampf in allen Gassen, der indes nur einen recht kleinen Mitarbeiterstab befehligt und mit diesem in einer bescheidenen Altbauwohnung in der Hallerstraße residiert. Bescheiden und unauffällig ist auch der Impresario selbst, ein humorvoller Mittvierziger, dem der Streß des Konzertbetriebs noch keine sichtbaren Wunden geschlagen hat. Mit Karsten Jahnke sprach WELT-Mitarbeiter Klaus Berger.


WELT: Karsten Jahnke, Sie sind seit Jahren der Branchen-Erste im norddeutschen Konzertbetrieb, Sie nehmen fast alle großen Stars unter Ihre Fittiche, haben meist volle Häuser und erzielen Millionen-Um-sätze - kam Ihnen da nicht schon gelegentlich der Gedanke: „Ich habe alles erreicht, ich kann mich zur Ruhe setzen“?

Jahnke: Wo denken Sie hin! Erstens macht mir die tägliche Arbeit nach wie vor viel Spaß - auch wenn sie mit noch soviel Trubel verbunden ist. Zweitens darf man nicht übersehen, daß große Umsätze nicht immer automatisch hohe Gewinne bedeuten. In dieser Branche mit ihren vielen Unwägbarkeiten geht man fast jeden Tag große Risiken ein, setzt man oft beinahe alles aufs Spiel - und freut sich dann, wenn es mal wieder gutgegangen ist.

WELT: Es ist eigentlich schwer vorstellbar, daß über der seit zwei Jahrzehnten gut florierenden Konzertdirektion Jahnke gelegentlich der Pleitegeier kreist.

Jahnke: Nun ja, wir wollen nichts dramatisieren, aber vor zwei Jahren, bei der 1982er Tournee von Marius Müller-Westernhagen, stand ich doch mit dem Rücken zur Wand. Aus den verschiedendsten Gründen platzten etwa 20 Konzerte, und ich war mit einer sechsstelligen Summe im Minus.

WELT: Das Umfeld des Konzertbetriebes wird wohl ohnehin immer aufwendiger und teurer...

Jahnke: Und wie. Nehmen Sie nur die Saalmiete des Hamburger Con-gress Centrums: Das kostet mich von vornherein mal eben 18 000 Mark.

WELT: Und sicher sind auch manche Rock- und Popstars „unbezahlbar“ geworden.

Jahnke: Ja, und was noch schlimmer ist: Die Künstler haben heute das Sagen, bestimmen alles, verlangen alles. Einige Bands haben es auch offenbar gar nicht mehr nötig, Live-Gastspiele zu geben. Zum Beispiel wäre ein Konzert mit der Gruppe „Wham“ hier sofort ausverkauft, nur sind die Musiker einfach nicht zu bewegen, nach Hamburg zu kommen, weü sie nämlich im Studio genug Geld verdienen können. Und dann die Dollar-Forderungen! Wer soll das demnächst noch aufbringen?

WELT: Gibt es löbliche Ausnahmen?

Jahnke: Ja, Al Jarreau zum Beispiel. Dieser immer gutgelaunte, sympathische Jazz-Vokalist wird noch nicht vom Kostendenken beherrscht. WELT: Was würden Sie denn einem Neuling in der Konzertbranche raten?

Jahnke: Ganz schlicht und einfach: „Sei vorsichtig, veranstalte kein Kon zert ohne hundertprozentige Rücklage.“

WELT: Sie haben doch sicher auch mal ganz klein angefangen.

Jahnke: Natürlich. Ich veranstaltete meinen ersten Jazzbandball 1956 im „Lindenhof ‘ in Sasel. Damals war ich noch Exportkaufmann und fragte meinen Vater, ob er mein Vorhaben vielleicht unterstützen würde. Der Dialog war kurz. Vater: „Hast du das Geld dazu?“ Sohn: „Nein.“ Vater: „Ich auch nicht.“ Es ging dann aber alles gut. Mein Reinverdienst betrug elf Mark.

WELT: Haben Sie der Kapelle auch etwas gegeben?

Jahnke: Aber ja. Schließlich hatte die Alstertaler „New Darktown Jazzband“ doch extra eine junge, begabte Jazzsängerin mitgebracht - Evelyn Hamann hieß sie übrigens!

WELT: Das waren noch die Zeiten, als man mit der Straßenbahn zum Auftrittsort fuhr.

Jahnke: Und es war die Zeit, in der ich dann mein Imperium damit aufbaute, daß ich mit den legendären „Insterburgs“ jedes Jahr 200 Gastspiele durchführte - immer alle restlos ausverkauft. Die Gage wurde ganz reell durch fünf geteilt. Das gab’s noch.

WELT: Wer sind denn heute Ihre künstlerischen und menschlichen Favoriten?

Jahnke: Ganz vorneweg nenne ich da Herman van Veen, den besten Entertainer, den ich "kenne, ein Sänger, Musiker, Tänzer, Pantomime - und ein Mensch. An Gespräche mit ihm erinnert man sich ein Leben lang.

WELT: Mit wem hatten Sie am meisten Spaß?

Jahnke: Mit Champion Jack Dupree, dem alten Blues- und Boogie-Hasen. Wenn der ins Büro kommt, sind wir alle hinterher buchstäblich zerlacht.

WELT: Sie managen ja die unterschiedlichsten Konzerte, bringen heute den Jazzer Chic Corea, morgen den Schlagersänger Howard Carpendale auf die Bühne.

Jahnke: Ich habe eine ganz klare Maxime: Nur was ich selbst mag (bzw. was ich handwerklich für gut halte), kommt bei mir aufs Podium. Sonst würde ich den Kram hinschmeißen.

WELT: Kennt ein Impresario Angst?

Jahnke: Was mich betrifft, gottlob selten. Ich verspürte allerdings 1979 beim Joe-Cocker-Konzert im Bad Se-geberger Kalkbergstadion ein ungutes Kribbeln. 10 000 Leute warteten eine Stunde lang auf den Star, der sich nicht blicken ließ, und wurden zunehmend unruhig. Hinter der Bühne mußten wir nämlich Joe Cocker erst einmal mit dreieinhalb Litern Pfefferminztee wieder nüchtern machen. Es gelang. So etwas möchte ich nun wirklich nicht gernb noch einmal durchstehen.



Klaus Berger