BERLINER ZEITUNG
Björn Wirth

Distanz in der Show

Drei-Stunden-Programm von Herman van Veen

22. marz 1993

Wir hatten uns mal die Nächte um die Ohren geschlagen, weil Herman van Veen in die Stadt kam. 1987 war das, als wir nach Karten für das Berliner Ensemble anstanden, und zwei Jahre später warteten wir wieder viele Stunden, um in die Werner-Seelenbinder-Halle reinzukommen. Ja, was ein echter Fan ist. Dichtgedrängt kauerten die Zuschauer damals auf dem Parkett der Halle, selig, weil Herman auf der Bühne sang, tanzte und parodierte, daß einem schwindlig wurde.


Vier Jahre war der Holländer nicht mehr in Berlin. Seit Freitag gastiert er in der Hochschule der Künste. Polstersessel statt Parkettfußboden, Karten an der Abendkasse.

Herman van Veen hat sich verändert. Distanziert zog er seine Show ab und durch. Brillant, aber ohne Wärme. Das dreistündige Programm war perfekt und bot so ziemlich alles, was man für durchschnittlich 40 Mark Eintritt erwarten kann. Nur die leisen Zwischentöne, die ihn und seine Lieder eigentlich ausmachen, die fehlten.
Dabei sang Herman van Veen vor allem die alten Stücke, von „Ich lieb’ dich noch“, „Anne“, „Dieser Tag ist wie ein Griff ins Klo“ bis zum legendären „Ich hab’ ein zärtliches Gefühl“. Doch die Gesten des 48jähri-gen wirkten einstudiert. „Es liegt nicht an der Gegend, es liegt an dir“, heißt eine Ziele. Ausgefeilte Technik und exzellente Begleitung, selbstverständlich, doch zu laut, fast derb geriet der Auftritt des Holländers, und manchmal kippte'er auch um in billigen Klamauk. Was sollte diese peinliche Tampon-Entgleisung? Dabei steht sein Näme seit Jahrzehnten für Tiefgang statt Belustigung pur.

Ein ernüchterndes Konzert, der Funke war nicht übergesprungen Jedenfalls zu mir nicht. Ich fand’s zum Heulen, anders als das Gros der Zuschauer.

Das erklatschte ungezählte Zugaben.



Björn Wirth