Rheinische Post JOACHIM MIES |
Zwei ausverkaufte Abende mit Hermann van Veen in der Mercatorhalle | 22 mrt 1984 |
Es gibt Leute, die braucht man nur einmal auf der Bühne zu sehen, um einigermaßen über sie Bescheid zu wissen. Es gibt aber auch Künstler, die kann man gar nicht oft genug sehen, und kommt trotzdem nicht dahinter, wer eigentlich dort oben agiert. Hermann van Veen, der jetzt die Mercatorhalle gleich an zwei Abenden hintereinander füllte, ist so einer. Er läßt sich in keine Kategorie einpas- sen, obwohl er selber in jeder einzelnen seiner immer aufs Neue aufregenden Shows zahlreiche Deutungsmöglichkeiten anbietet. Harlekin ist er, Liedermacher auch, Musiker, Schauspieler, Filmemacher und Autor dazu. Vor allem aber ist er Mensch, einer, der sein "zärtliches Gefühl" bewahrt hat und sich in einer immer komplizierteren Welt verschmitzt zur Einfachheit bekennt. Die "allerschönste Musik der Welt" will er als Schutzschild gegen die Bomben von Russen und Amerikanern setzen und weiß genau: "Das ist naiv - aber genial." Von der roten Plastik-Nase des Clowns aber sollte sich niemand täuschen lassen. Denn hier steht keiner, der nur Klamauk machen will oder verwegen genug wäre, mit dem Schrecken seine Späße zu treiben. Bei Hermann van Veen darf gelacht werden, mehr vielleicht als auf früheren Tourneen. Aber im Lachen über den Narren schwingt immer auch die Betroffenheit mit, die der Mensch dahinter immer wieder auszulösen versteht Vieles an van Veen und seinem Programm ist vertraut, die Gesten ebenso wie die Lieder und die einfühlsame musikalische Begleitung, die sich neben Erik van der Wurff dieses Mal Nard Reijnders, Cees van der Laarse und Chris Lookers teilten. Und doch ist wieder vieles neu, politischer auch, wenngleich van Veen wohl niemals ein Politiker im herkömmlichen Sinne sein könnte. Macht will er keine und Botschaften hat er keine; er setzt stattdessen auf die Kraft der Phantasie, die ihn selber seit nunmehr 15 Jahren lachen und weinen, singen und spielen, tanzen und träumen läßt. Realist ist er, aber abfinden mag er sich nicht, mit Einsamkeit nicht, mit Lieblosigkeit nicht und nicht mit der Gedankenlosigkeit im Umgang der Menschen miteinander und mit der Welt. "Weil wir den Frieden so wunderbar finden", sagt van Veen in einem seiner Stücke, "haben wir rund um die Erde das .Theater Nuclear Force' aufgebaut", eine Spielwiese für die Mächtigen, auf der sie voller Wonne die Beherrschung der Technik demonstrieren. Ein Nieser aber setzt die Katastrophe in Gang. Da kann auch der Clown nur die weiße Fahne schwenken. JOACHIM MIES |