Canstatter Zeitung
Eva Autenrieth

Im Konzert

22 feb 1984

STUTTGART - Staunend betrete ich den Konzertsaal der Stuttgarter Liederhalle'. Vor mir sitzt ein Publikum, das einmütig Zeitung liest. Leitartikel: "Die Bombe fällt nie." (Herman van Veens neuer Titelsong). Es handelt sich also trotz (bewußt) ähnlicher Aufmachung nicht um die Bildzeitung, wie ich nachträglich nicht ohne Schmunzeln feststelle, sondern um "Gedrucktes" von Herman van Veen. - Die Show vor der Show!


Die Lichter gehen aus im Saal, langsam öffnet sich der Vorhang und man hat das Gefühl, unter dem Weihnachtsbaum zu sitzen und ein Geschenk auszupacken. Mit "Signale", gleichzeitig Titel seines neuen Albums, geht H. van Veen 1984 auf die Bühne. Seine Texte sind eigenwillig, originell und überraschend unkonventionell wie die ganze Persönlichkeit - hier werden Gegensätze zu einer Synthese. Er sieht die Dinge aus einem ungewöhnlichen Blickwinkel heraus, dadurch bekommen sie eine andere Dimension.
In van Veen begegnet uns ein Künstler mit außergewöhnlichem Einfühlungsvermögen, den man begreiflich nicht festlegen kann. Er ist Sänger, Poet, Clown, Pantomime, Komponist, Geiger, Parodist, Satiriker alles in einem. Ein Mensch mit ungewöhnlich vielen Talenten, die er gleichermaßen künstlerisch einsetzt. Eine Aufführung Herman van Veens setzt sich aus musikalischen, komödiantischen, lyrischen und absurden Elementen zusammen.

Seine Musik ist sanft, melancholisch - er ist ein Musiker der Zwischentöne. Mit weicher, klangvoller Stimme singt er sozialkritische Lieder wie "Signale", das eine Anklage gegen südamerikanische Menschenrechtsverletzer ist, neben Liebesliedern, Balladen und Satiren wie "Die Bombe fällt nie" oder die Widmung an die unvergessene "Edith Piaf". Herman van Veen wird künstlerisch perfekt und einfühlsam begleitet von einem Musiker-Team, dem man die langjährige Zusammenarbeit mit dem Künstler anmerkt: Erik van der Wurff (Klavier und Querflöte), Nard Reinders . (Saxophon und Klarinette), Chris Lookers (Gitarre) und Cees van der Laarse (Bass).

Mit Liebe, Humor und einer großen Zärtlichkeit für das menschliche im Menschen gelingt es Herman van Veen, bei seinem Publikum vielschichtige Gefühle zu sensibilisieren, seine Vorstellung spielt sich inmitten hunderter und tausender Leute und doch unter vier Augen ab.



Eva Autenrieth