Rheinische post
MICHAEL PLUSCHKE

Herman van Veen: „Bis hierher und weiter”

Vom Triumph des zärtlichen Clowns

22. Januar 1990

„Einem Herman van Veen kommt man beschreibend nicht bei.” Das ist keine vorweggenommene Kapitulation vor dem Versuch, die Wochenend-Gastspiele des Niederländers im Krefelder Seidenweberhaus in Worte zu fassen. Heinz Rudolf Kunze hat seine tiefe Verehrung für van Veen in diese Worte gekleidet, und er (Kunze) kennt ihn (van Veen) nun wirklich: Er schreibt Texte für diesen Verrückten.


Für diesen Verrückten, der mit seinem Programm „Bis hierher und weiter” seit Oktober durch die Republik „tourt” ünd am Wochenende Krefeld nahm. Denn anders kann man die Eroberung eines — freilich, und diese Einschränkung muß man geltend machen, ohnehin zur Begeisterung monomanisch entschlossenen — Publikums kaum bezeichnen: Erst nach knapp drei Stunden und diversen -Zugaben war das Ganze vorbei.

Es ist nicht das was, es ist das wie. Was er macht, läßt sich erstens leicht beschreiben ünd käme zweitens aus anderem Munde platt-banal oder gar kitschig-peinlich daher. Und auch saurer Kitsch schlägt auf den Magen. Nicht so bei van Veen. Er kann mit seiner Tochter „telefonieren”, kann Kalauer an Karikatur koppeln, Groteskes an großes Gefühl grenzen lassen, sich und andere bloßstellen — und stößt auf Dankbarkeit. Mehr: Es ist, als warte das Publikum darauf, angerührt, berührt, bewegt zu werden. Van Veen ist immer das, was er gerade ist, extrem: Laut, lustig, albern. Traurig, ganz leise, zärtlich. Clown, Romantiker. Das alles, viel mehr — und dann auch noch alles gleichzeitig.

Zum Programm: Das Politisch-Sozialkritische, das Anfang der 80er Jahre einen Schwerpunkt bildete, hat er ein wenig in den Hintergrund gedrückt. Das Zauberhafte, das Clowneske, die Karikatur, aber auch Momentaufnahmen der Gefühle sind wieder wichtiger, noch wichtiger geworden. Die Themen sind dem Leben in allen Phasen entnommen: Von der Zeit knapp vor der Geburt bis zum Alter, zum Tod: Auch Extremes wird mit großer Leichtigkeit, noch größerer Ein-fühlsamkeit und Selbstverständlichkeit behandelt. Und dabei kommt dieser Mann immer auf den Punkt.

Zu all dem noch ein unglaubliches Potential Talent: Ob er parodierend Gregorianisches anstimmt oder wirklich begeisternd in Sachen Jazz-Scat macht. Er hat’s drauf. Nicht nur stimmlich: Die mit Szenenapplaus bedachte Tennis-Zeitlupennummer allein ist ein Kunst-Stück. Und man läuft Gefahr, über all dem die musikalische Unterstützung zu vergessen, was sie beileibe nicht verdient hat: Allen voran der geniale Erik van der Wurff (Tasten), aber auch Saxophonist Nard Reijnders und Bassist Cees van der Laarse leisten Außergewöhnliches.

Das Publikum liebt „seinen Herman”. Es läßt ihn erst nach Zugaben von der Bühne, nimmt viel von solch einem Konzert mit, singt, summt, lacht auf dem Weg ins Parkhaus. Van Veen hätte das sehen sollen. Und seinen Spaß dran gehabt.


Und Heinz-Rudolf Kunze hat Recht.



MICHAEL PLUSCHKE