hannoversche allgem. ztg.
Karin Schmidt

Der träumende Holländer

Herman van Veen gastierte in Hannover

21. Januar 1989

Ja, klein müßte man noch mal sein. Mit großen, blanken Augen in die Gegend staunen. Und einen Papi haben, wie der Herman einer ist. Der ist zwar den Kinderschuhen lange entwachsen, sein Kapital sind sie dennoch geblieben. Wenn der Papi mal Bammel hat, singt er ein Lied, und alles ist wieder gut. Heile Gänschen. Wie schön, wenn es so einfach ist. Und wenn sich zwei Völker bekriegen, schiebt er nur auf seinem riesigen Spielerdball die Länder ein bißchen auseinander. Und wieder herrschen Friede, Freude, Pfannekuchen. Alles frisch?


Ob die Kleinen dem verträumten Holländer seine Gaukelei glauben, werden wir Großen wohl nie erfahren. Aber für uns bedeuten seine Spielereien immer noch Linderung. Gemeinsam können wir die Wunden lecken, die diese böse Welt unseren Träumen zugefügt hat. Denn da ist einer, der ist groß rausgekommen, obwohl er spinnt. Gerade deswegen sogar. Doch Herman van Veens Stern steht nicht mehr im Zenit. Seine schönen Flausen von einst schmecken leicht schal. Etwas abgestanden die Kinkerlitzchen, die er uns zum x-ten Male im Theater am Aegi vorführt.

Dabei würden wir ihn liebend gerne so aufsaugen, wie wenn er zum ersten Mal da stünde. Die Gier schreit aber nach neu°n phantastischen Momenten. Die holt Herman nicht aus seiner Wundertüte. Dafür nerven seine Sexualspinnereien. Seine neuen Lieder wollen nicht so recht ins Ohr gehen. Aber hat er nicht selbst gesagt, daß die Leute immer nur das letzte Konzert wiederhören wollten? Da ist was dran. Denn am meisten freuen wir uns über Wiederholungen, und sind sie auch gar nicht gut.

Faszinierend ist trotzdem, mit wie wenig er soviel Zeit vertreiben kann. Mit Plastiktütenhut guckt Herman ein Loch in die Luft, macht einen Seitenhopser mit Konfetti, und vorbei ist eine halbe Stunde.


Und wer’s nicht glaubt, hat selbst Schuld.



Karin Schmidt