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Konzerte in Stuttgart

Am liebsten Pingpong

Herman van Veens "Signale" in der ausverkauften Liederhalle

21 feb 1984

Nein, nein, es war schon das richtige Konzert. Aus den Boxen im Beethovensaal der Stuttgarter Liederhalle dröhnten zwar die Eingangstakte von Tschaikowskys Violinkonzert, doch durch einen. Seitengang spazierte, die Geige am Kinn, den dazugehörigen Kasten lässig umgehängt, der, dessentwegen der Saal bis auf den letzten Platz gefüllt war: Herman van Veen, 38, wie gewohnt im offenen weißen Hemd, weiße Hose, schwarze Jacke, so, als wolle er eben mal vorbeischauen.


Drei Stunden sind dann draus geworden, kurzweilige, versteht sich, denn dieser Holländer - Liedermacher und -sänger, Komponist und Textdichter, Pantomime und Clown, Schauspieler und Parodist, schließlich auch Geiger (Tschaikowsky allerdings im Playback!) - hat sein Publikum " im Griff". Und das jeden Abend auf einer wahren Mammuttournee, die ihn seit Mitte Januar und noch bis Ende April kreuz und quer durch Deutschland und das benachbarte Ausland führt. Erstaunlich, daß da Spontaneität nicht zur Routine wird.

So "völlig neu", wie des Liedermachers Plattenfirma es ankündigt, ist das Programm unter dem LP-Titel "Signale" allerdings nicht mehr. Eine holländische Jury aus Theaterdirektoren und Kritikern wählte seine Show zur "besten Kabarett- Vorstellung" der vergangenen Saison. Im ZDF konnte man Ausschnitte bereits im Dezember zu später Stunde genauer unter die Lupe nehmen.

Jetzt aber live in Stuttgart Herman van Veen zum Anfassen,denn er sucht unmittelbaren Kontakt mit seinem Publikum. Er geht durch den Saal nicht nur am Anfang und zum Ende seiner Show, er zwängt sich auch, Handtaschen einsammelnd, mitten im Programm durch die Reihen. Der Komödiant und Pantomime. Uber Lautsprecher wird Bahnhofsatmosphäre eingespielt.
Herman van Veen verwandelt sich sekundenschnell mal in wartende, mal in reisende Passanten, bis er schließlich als Bräutigam seine männliche "Braut" auf Händen beziehungsweise Armen von der Bühne trägt. Einfach Nonsens. Oder sein Lieblingsspielzeug: Pingpong-Bälle - sie setzen, überdimensional vergrößert und in wechselnder Farbe, sparsame Akzente auf der Bühne. Er spielt ganz einfach mit ihnen, läßt sie verschwinden, wieder auftauchen, wie ein Vorstadtzauberer. Er spielt aber auch mit seinem ganzen Körper. Wenn er pantomimisch den vom Band zugespielten Beifall wie ein Orchesterdompteur dirigiert; wenn er Congas spielt, nicht auf echten Trommeln, sondern auf Wangen, Stirn und Schädeldecke; wenn er den Flügel artistisch malträtiert; wenn er mit dem "kleinen Schwarzen" der Piaf zu Musettwal- zerklängen über die Bühne schwebt. Der Sänger und Poet. Begleitet von vier auch zur Improvisation fähigen exzel'anten Musikern: Erik van Wurff (Orgel und Klavier; musikalischer "Chef", auch als Komponist und Dirigent klassischer Sinfonieorchester in Holland bekannt), Nard Reinders (Saxophon, Klarinette), Chris Lockers (Gitarre) und Cees van der Laarse (Baß). Liebeslieder singt er vor allem melancholisch fragende, auf alle Mitmenschen bezogene.

Seine politischen Songs sind nicht offen aggressiv, sie leben zum Teil vom nachdenklich machenden Paradoxon, von der feinen Ironie: "Die Bombe fällt nie. Die Welt ist auf den Kopf gestellt."
Doch er bleibt nicht in der Vorstellung stecken, er fordert zur Umkehr auf: "Gebt jetzt ein Zeichen, ein Signal, daß Beharrlichkeit doch zum Ziele führt!" Das alles ist musikalisch ansprechend verpackt, eingängig, raffiniert instrumentiert, beim Wiedererkennen ("wer kennt die Platte?") den obligatorischen Beifall provozierend.

Der kommt natürlich - und Herman van Veens Replik:

"Klatscht nicht so viel, das kostet wahnsinnig viel Zeit." Typisch!



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