Rhein-Ahr Rundschau
Wulf-Peter Schroeder

Herman, wo sind Deine Lieder?

21. Januar 1993

Bonn. Zwei Jahre hatten sie warten müssen, die Bonner Fans von Herman van Veen. Warten auf die Inseln, die er vom Himmel holt, um auf ihnen träumen zu können. Daß sie damit bis zur — wie immer intimen — Zugabenzeit warten mußten, liegt weniger an den Zuhörern, die allesamt bereit waren, „weit hinaus zu schwimmen“. Sondern daran, daß van Veens neue Inseln im Dunst vermeintlicher Internationalität kaum noch zu orten sind.


Dabei hat er nichts verloren von seinem einzigartigen Timbre, seiner Clownerie und seiner Fähigkeit, alles und jedes mit dem Körper auszudrücken. Aber der Zauber seiner früheren Lieder ist eben nur noch in diesen — Zugaben — präsent. Agressiv-poetisch aufflackernd vielleicht nur das Ende des neuen „Grand Hotel Deutschland“, dessen Text und Melodie musikalisch brillant (Erik van der Wurff und Nard Reijnders) im jüdischen Stetl nachhallten. Und die wunderschöne Liebeserklärung an „mein Flandernland“ : „Ei, Marike, Marike.. .ohne Liebe stirbt das graue Meer.“

Wenn der große Clown Herman sein hungerndes Publikum — un-terstützt von hinreißender Licht- und Tontechnik — mit sparsamsten Gesten auf die Palmen der Verzückung bringt; wenn er — wie immer — das hinreißende, imaginäre Gespräch mit seiner Mutter führt („Ja ich habe gegessen, Mama!“), dann ist dem nichts hinzuzufügen. Auch nicht eine von Show zu Show fortschreitend derbere Körpersprache. En face ist er nämlich immer noch um Klassen besser als im Tanga.

Wäre da nicht das fast einstündi-ge Zugaben-Finale gewesen! Denn da waren sie, die schönen alten Inseln, auf denen die Träume nicht platzten, wie vor dem Fallen des ersten Vorhangs.
Wo sind Deine Lieder, Herman? Ein Veilchen, das muß — wieder — sein! Vielleicht in zwei Jahren, wenn er das zweite Jahrzehnt seiner Auftritte in der Beethovenhalle voll macht.



Wulf-Peter Schroeder