WESTFAELISCHE NACHRICHTEN

Holländischer „Eulenspiegel“ van Veen wieder auf Tour

20. Maerz 1992

Seit nahezu 30 Jahren verunsichert der Holländer Herman van Veen sein Publikum, ln seiner Heimat gilt er als Kabarettist, in Frankreich als singender Pantomime, in Deutschland als Liedermacher, in Amerika als der Performer „Herman van Who“. Gelungen ist ihm dies mit Geschichten für „Kinder bis 107“ und mittlerweile mehr als 50 Platten in vier Sprachen. Mit seinem neuesten Programm ist Herman van Veen nun fast ein Jahr lang bis zum 30. März 1993 - mit einer Unterbrechung im Sommer - in Deutschland unterwegs. „Erinnerungen an eine Zeit, an einen Menschen, an sich selbst und wo man diese normalerweise findet“, kündigt van Veen dazu im Programmheft an.


Der Eulenspiegel sieht die Dinge von einem anderen Standpunkt als die meisten Mitmenschen. Es sei ein einsamer Standpunkt, bei dem „ich ständig das Gefühl habe, legitim isoliert zu sein“, sagt der Holländer. So beweist er in seinem neuen Programm, daß mit einem Kaninchen nicht ungestraft gezaubert werden kann. „Das geht nicht. Das Kaninchen ist auch jemand. Vielleicht hat es einen Bruder, der stärker ist als ich.“

Van Veens Karriere ist im Grunde ein Protest gegen sein Musikstudium. Fünf Jahre lang habe er „Tote analysiert: Schubert, Schumann, Wagner“. Als 23jähriger gründete er 1968, von der Commedia dell’ Arte inspiriert, in Utrecht das Musiktheater „Harlekijn“ - eine clowneske Einmannshow. Heute ist „Harlekijn“ Produktions- und Ausbildungsstätte freier Gruppen. Daneben komponierte Herman van Veen zahlreiche Film- und Ballettmusiken, führte bei selbstverfaßten Theaterstücken Regie und schrieb Kinderbücher. „Kinder versuchen, Schneeflocken aufzubewahren, den Wind einzufangen und den eigenen Schatten zu erhaschen.“

Dazu ist er Mitbegründer der Stiftung „Columbine“, die Gesundheitsund Umweltprojekte in Europa und in Entwicklungsländern fördert. Außerdem war er 25 Jahre lang Goodwill-Botschafter des Kinderhilfswerkes der Vereinten Nationen. Sein größter Traum: „In allen Weltstädten einen Baum zu pflanzen als das Grab des unbekannten Kindes, an dem jeder König und Minister seinen Kranz niederlegt.“ Sein politisches Engagement allerdings fließt nicht in sein aktuelles Programm ein. Plakativ Politisches wolle er auf der Bühne vermeiden. Sollen doch die Menschen das tun, wovon sie selbst überzeugt seien, und nicht, weil es ihnen der Prominente Herman van Veen vormache, sagt der Künstler. Sein Ziel sei es vielmehr, „einen grandiosen Abend zu haben“ mit Liedern, Bildern und Worten, die von Freunden und ihm selbst „geschrieben, ausgedacht und gestohlen wurden“, mit Geschichten, die der Hofnarr von eigenen Gnaden selbst erlebt hat -als er beispielsweise nach einem Konzert in eine Razzia geriet und im Gefängnis landete. Oder er erzählt über „Ein Baby“, das nie das Licht der Welt erblickte, weil es abgetrieben wurde.

Nahezu ausschließlich neue Lieder singt Herman van Veen. Er blättert in seinem imaginären Tagebuch und läßt den Zuhörer die Gefühle spüren, die ihn derzeit beschäftigen: „Diese Lieder sind zwar am unsichersten, aber am interessantesten. Mit tausend Menschen im Saal und tausend Interpretationen. Es soll eine Antwort bleiben, weil man die Frage nicht kennt.“