die Welt
ELMAR KREKELER

Herman van Veen nach vier Jahren wieder auf Deutschland-Tournee

Neues aus dem Wundenland

20. Maertz 1992

Ein ordentliches Konzert wird er wohl sein Lebtag nicht mehr hinbekommen, eines, das einer klaren Dramaturgie folgt, das anständig geradeaus läuft, eines, das Antworten gibt. Aber Ordnung mag Herman van Veen, Sänger, Entertainer und Enten-Erfmder, nun einmal nicht, zumindest nicht auf der Bühne, und Antworten hat er eigentlich auch keine, nur Fragen, kleine Fingerzeige und ganz große Gefühle.


Wer sich hineinläßt in Hermans Durcheinandertal, findet sich wieder bei einem Eulenspiegel im Land hinter den Spiegeln, begegnet den Geschichten eines verwunderten, verwundeten Clowns, in denen sich überdimensionierte Kaninchen an ihrem hemmungslosen Magier rächen und Teddybären lebendig werden. Van Veen haut und haucht kleine Szenen auf die Bühne, verzaubert und verschreckt, singt, gaukelt und kaspert, findet Witze, die einen in den Magen treffen - und manchmal auch ein bißchen tiefer. Wer da zu spät lacht, den bestraft der Abend, konsequent. Das Lachen wird einem permanent im Mund herumgedreht.

Vier Jahre lang hat sich der „kahle Sänger“ rar gemacht, jetzt ist er wieder flächendeckend bis März nächsten Jahres unterwegs. In der Zwischenzeit ist die alte Bundesrepublik ein bißchen größer geworden und endgültig zur niederländischen Unterhaltungskolonie verkommen - ein Holländer mehr fällt da fast schon gar nicht mehr auf. Und Herman wird langsam fünfzig. Viel große dann die kahle Stelle über seinen Arun mehr werden, der verblit wird etwas grau - Herman zurück, Herman erinnert sich. Und schon ist in Trier das Hint. -kommen in van Veens Land der „total merkwürdigen“ Geschichten nicht mehr ganz so einfach wie früher. Es ist kälter geworden in seiner Welt, vor allem im ersten Teil zieht es wie Hechtsuppe - der Frühling kommt, bei Herman wird es Herbst. Er blättert im Fotoalbum des Lebens, spielt an gegen die Angst, zieht Träume aus dem Hut und Alpträume, Szenen von Liebe, Tod und Jesus, von deutschholländischer Vergangenheitsbewältigung, von Versehrten Kinderseelen und müden Erwachsenen. Und immer wieder schießt er quer, mit der kreuzkomischen Kurzgeschichte von der Cosa Nostra etwa, wo er ausgiebig eine herrliche Sinatra-Kopie hin-schmieren kann.

Als „Triumvirat“ ist er diesmal unterwegs mit dem brillanten Multisaxophonisten Nard Reijnders und dem Pianisten Erik van der Wurff, die alle Kapriolen des Utrechter Kaspers noch mit virtuosen Ausflügen anreichem. Beide gehören inzwischen zu van Veen wie dessen Geige, die ab und zu immer noch kurz herumzigeu-nem darf, und wie die Stimme dieses holländischen Hemdes, die aus allem eine Hymne machen kann - auf den Tag, der wie ein „Griff ins Klo“ ist, auf die beiden, die sich irgendwie gefunden haben, irgendwie zusammengeblieben sind und dann nicht voneinander loskommen. So ungefähr -denkt man sich - solllte es doch eigentlich klingen, wenn man singen könnte, wie man wollte, ansingen könnte gegen Mutlosigkeit und Melancholie.

Und wenn er dann mit diesem unbeschreiblich treudoofen Augenaufschlag „Möönsch“ macht und von seinem „Zärtlichen Gefühl“ singt, sind wir trotz des anfänglich doch leicht bemühten Psychotrips beruhigt -Herman, da kann er noch soviele Haare verlieren, wird zumindest eines sicher nicht mehr:

erwachsen - Gott sei Dank.



ELMAR KREKELER