SEGEBERGER ZEITUNG
Rainer Pregla

Herman van Veen findet das Leben „so magnifique“

19. Dezember 1992

Was ist Herman van Veen? Clown, Sänger, Musiker, Schauspieler, Autor, Regisseur oder Zauberer? Eigentlich ist er alles, ein Multitalent in einer Zeit der spezialisierten Fachidioten, auch in der Kunst. In diesen Tagen feiert van Veen sein 25jähriges Bühnenjubiläum in Deutschland. Und hat auch noch die neue Platte „You take my breath away“ produziert.


Ein Platz in Hamburg: Ein Clown spielt Akkordeon und schneidet Grimassen. Die Menschen eilen an ihm vorbei: Keine Zeit. Nur ein kleiner Knirps, etwa sechs Jahre, bleibt stehen. Nah, knallhart nah, stellt er sich vor den Spaßmacher. Der fängt an, nur für den Knaben zu spielen, ihm mit allen Mitteln ein Lachen zu entlocken. Es dauert lange... Das Clown-Klischee ist perfekt.

In einiger Entfernung steht ein Super-Clown unserer Tage: Herman van Veen. Er beobachtet die Szene: „Siehst Du, und wenn Du mich fragst, was einmal ist, wenn mich keiner mehr hören will, dann wird so sein, wie hier. Ich werde immer singen.“
Herman van Veen hat zum Leben Ja gesagt, da gibt es nicht einfach einen Anfang oder ein Ende: „Ist das Leben nicht herrlich, nicht magnifique?“ Magnifique ist sein Zauberwort: Magnifique - wunderbar, auch in unserer Zeit? „Die Erde ist ein phantastisches Angebot und das Leben auch. Ich will demnächst eine Platte über mein Ja-Gefühl machen.“ So einfach ist das, einfach Ja zum Leben, Ja zum Sein.

Das ist Herman van Veen. Ja zur Kunst, Ja zum Gefühl. Seine erste deutsche Scheibe hieß schon so: Ich hab ein zärtliches Gefühl. Was wohl damals, vor 25 Jahren in den Plattenläden ablief, als die Käufer fragten: „Haben sie ein zärtliches Gefühl von van Veen?“ Solche Wortspiele würden dem kosmopolitischen Clown wohl gefallen.

Aber der hat gerade ein Cafe entdeckt: „Ich liebe Cafes. Neulich sah ich einen Mann, der war vielleicht 100 Jahre alt, hatte sechs leere Schapsgläser vor sich. Der sah so glücklich aus. Die Welt flog an ihm vorbei. Da dachte ich, das ist es, der Himmel, magnifique. Du sitzt da.“ Er zeigt auf einen Platz am Fenster. Die Leute sind beschäftigt mit Unterwegssein, gehen nirgendwohin, kommen nirgendwoher: „Und Du sitzt da und verstehst das nicht. Das ist doch magnifique.“

Der spielende Holländer ist ein Vollblutkünstler, unerschütterlich in seinem Optimismus, aber knallhart, wenn es um die Realitäten des Lebens geht. Ständig scheint er zu improvisieren. Unermüdlich ist er kreativ und wortschöpferisch tätig. Halt dein Mikrofon einfach hin, van Veen wird es schon richten: „Ich vertraue absolut darauf, was ich nicht verstehe. Wenn die Leute rausgehen, ist das vielleicht so, daß die denken: Sieben und fünf ist bei diesem Typ überhaupt keine zwölf. Und das macht Mut, glaube ich...“

Herman van Veen ist ein Zauberer der Seele. Wo er erscheint, herrscht unmittelbar andächtige Stille. Es ist wie bei einem guten Buch, das jenes Tor zur Seele öffnet, von dem man dachte, es bleibt für immer verschlossen. Van Veen hat immer den richtigen Schlüssel dabei. Wenn er kommt, öffnen sich die Törchen im Kollektiv.

Auch ein Herman van Veen wird ab und zu vom Weltschmerz geplagt. „Wenn ich abends die Tagesschau sehe, dann hab ich nicht echt Selbstmordneigung, aber fast. Dann blicke ich unseren Hund an, und es geht mir wieder total gut. Der tut Sachen, Du, da denk ich, so etwa^; tust du nicht. Aber er tut es. Besser einen Hund statt Pillen.“ Nach einem Abend mit Herman van Veen kommt einem die Welt irgendwie besser vor. Und wie geht es ihm, dem multimedialen Clown, nach dem Auftritt? Das Schönste ist, ein Lächeln zu kreieren. Es ist knallhart Winter. Und man spielt in Kiel, New York oder where ever.Und die Leute gehen mit einem Lächeln nach Hause und vergessen ihren Mantel. Die gehen dann in die Metro oder den Bus und denken „Oh mein Mantel“.

Wenn ich das kollektiv erreichen kann und sie es dann trotzdem nicht kalt haben, das wäre schön...“ Mein Mantel, Herman. Doch bevor ich geh’,sag es noch , einmal, Herman - als kleine - Wegzehrung. „Magnifique“.

Danke



Rainer Pregla