Oberhessische Presse
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Perfektion ist Ehrensache

Herman van Veen zwischen Kunst und Kritik

19 jan 1984

Stadthalle war restlos ausverkauft: einige Besucher nahmen sogar mit einem Stehplatz vorlieb: Herman van Veen, niederländischer Allround-Künstler, gastierte anläßlich seiner Deutschlandtournee in Marburg. Der Name hielt, was er versprach: Herman van Veen begeisterte das Publikum mit einer komödiantisch, musikalisch und tänzerisch-pantomimisch hochwertigen Show, die ihresgleichen sucht. Einmal mehr wurde deutlich, wie geschickt der 38jährige Liedermacher und seine vierköpfige Gruppe es verstehen, fließende Übergänge zwischen gefühlsbetonten Balladen und mitreißender Rockmusik zu schaffen.


Schon der Name seiner Tournee zeigt die Absicht des Künstlers: "Signale" heißt der Titel, und Signale unter dem Publikum zu setzen, ist auch die Intention Herman van Veens. Verschiedene Themen wurden gesellschaftskritisch beleuchtet. Hierbei brachte Herman van Veen zwischenmenschliche Probleme zur Sprache, scheute sich aber auch nicht, "heiße Eisen", die die gesamte Bevölkerung betreffen, in Angriff zu nehmen.

Den Schwerpunkt hierbei bildete die Aufrüstung; eine Zeitung mit der Schlagzeile "Die Bombe fällt nie" lag zu Beginn der Vorstellung auf den Zuschauerplätzen. Voller Ironie wird darin die "Nachricht kommentiert: ... "Die Welt ist auf den Kopf gestellt durch diesen schrecklichen Bericht, denn wenn die Bombe doch nie fällt, bringt uns das aus dem Gleichgewicht.
So vielfältig die Darbietungen Herman van Veens sind, so perfekt erscheinen sie auch. Es ist schwer, die richtige Bezeichnung für den vielseitigen Niederländer zu finden. Seine Fähigkeiten liegen nicht nur auf musikalischem Gebiet, sondern erstrecken sich auch auf schauspielerische und dichterische Ebenen. In Herman van Veen vereinen sich Autor, Komponist, Sänger und Harlekin gleichermaßen.

Perfektion wird bei dem Künstler aber auch im Umgang mit den Zuschauern großgeschrieben. Es ist nicht übertrieben, zu behaupten: Herman van Veen hat das Publikum im Griff. Sogar den Applaus steuert er - im wahrsten Sinne des Wortes - im Handumdrehen: Am Ende einer Einlage spielte er sich den Beifall, ganz nach Wunsch von verschiedenen Seiten, per Tonband vor - und stellte ihn nach Belieben wieder ab.

Ein bißchen "ins Rotieren" geriet der Liedermacher vielleicht nur ein einziges Mal. Als er zugab, wie erstaunt er über die Vielzahl der Zuschauer "in einer Stadt wie Marburg" sei, mußte er sich die Frage aus dem Publikum gefallen lassen, warum die Eintrittspreise so hoch sind. "Gott sei Dank ist mein Deutsch nicht so gut", lautete die verschmitzte Antwort. Als die Besucher nach mehreren Zugaben den Saal verließen, waren sich jedoch die meisten einig, das Geld richtig angelegt zu haben.

Die Erwartungen an diesen Abend hatten sich vollauf erfüllt.



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