Hannoversche A.Z.
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Jedem auf den Pelz gerückt

Herman van Veen im Theater am Aegi

18 nov 1977

Auf sein Publikum in Hannover, dessen Treue zu Herman van Veen erst kürzlich in einer Sendung mit ihm im Westdeutschen Rundfunk erwähnt worden ist, kann der Tausendsassa aus Utrecht in der Tat bauen. Wegen der starken Nachfrage hat der Veranstalter inzwischen sogar einen dritten Auftritt ermöglicht, der am 25. November im Theater am Aegi stattfinden wird und der wärmstens zu empfehlen ist.


Herman van Veen zeigt sich bei dieser Tournee von einer brillanten Seite. Dem Publikum machte er es dabei allerdings nicht einfach. Stärker noch als in den vergangenen Jahren arbeitet der vielseitige Kleinkunststar mit dem Moment der Irritation: Da entdeckt er zum Beispiel jenen imaginären Besucher in der 18. Reihe mit einer riesigen Warze, zieht bekannt brutale Sprüche reihenweise vom Leder, bis allmählich auch dem letzten Zuhörer das Lachen im Halse steckenbleibt; da rückt er in seinen Texten energisch der Gleichgültigkeit und der Lieblosigkeit zu Leibe, verunsichert das Publikum, indem er scheinbar Schlüssiges erzählt und gleich wieder dementiert.

Herman van Veen zwingt so zum Nachdenken. Und vielleicht auch zum Umdenken. Ein unbequemer Abend. Niemand mag sich da so recht bequem in den Sessel zurücklegen. Die Hartnäckigkeit, mit der sich der Holländer gerade an den Problemen des Alltags festbeißt, macht betroffen; wobei die Trauer über Kälte und Gefühllosigkeit durchaus nicht in matte Resignation ausschwingt.
Zu jenem zärtlichen Gefühl für den Außenseiter und den Träumer gesellt sich in viel stärkerem Maße als früher der Zorn über jene, die dem Außenseiter das Leben erschweren, die Träume unterdrükken, deren kaltherzige Erfolgsmaximen menschliches Miteinander oft verhindern. Herman van Veen baut bei seinem Engagement nicht auf Parolen, er überzeugt durch die Konsequenz, mit der er sich und seinem Publikum den Spiegel vorhält. Was kümmert es dich, fragt er, wenn in der SahelZone Tausende Menschen verhungern? Du reagierst erst betroffen, wenn ein Erdbeben in deiner Straße den Weg zum Zigarettenautomaten versperrt.

Die Leichtigkeit, mit der Herman van Veen das Programm abzieht, läßt mitunter vergessen, wieviel Arbeit er und seine Freunde darin investiert haben. Fliegender Rollenwechsel: Mal ist Herman van Veen Sänger, Musiker, Parodist, mal rezitiert er, mal blödelt er einfach so vor sich her. Oder er spielt naiv wie ein Kind. In dieser faszinierenden Mischung ist sicher auch zum * Teil das Geheimnis seines Erfolges mitbegründet.
Hinzu kommt eine Begleitmannschaft, die sich mit dem AllroundKünstler hervorragend versteht, wobei der musikalisch interessanteste Mann der Gitarrist Farry Sacksioni ist.



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