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ERI FRAUNBAUM

Sich selber Mut machen

Herman van Veen heute im Radio, nächste Woche live in Linz

18. MAI 1989

Herman van Veen ist wieder da. Mit seinem neuen Programm „Bis hierher und weiter“ ist das holländische Multitalent am 24. und 25. Mai im Linzer Brucknerhaus zu sehen und zu hören. Zu hören ist er auch heute schon im Radio. Peter Huemer hat Herman van Veen zu seiner Sendung „Im Gespräch“ (21 Uhr, Österreich 1) eingeladen. Eine Stunde mit Herman van Veen, dem Georges Moustaki schrieb: „Ich grüße in dir die Weisheit des Narren und die Unverschämtheit des Moralisten, während du vorgibst, uns nur zu unterhalten.“


Er singt „Don't worry, be happy“ und im gleichen Konzert vom Ayatollah, von der Umweltverschmutzung und vom HIV. Lachen und Weinen liegen in der Show des Herman van Veen nahe beisammen. Wohl, weil das Leben halt so ist — „wie eine Art Bad: warm und kühl, heiß und kalt...“
Und zwischen Glück und Unglück gibt es, philosophiert Herman, eigentlich kaum einen Unterschied. „Das ist eine Haaresbreite. Wenn ich unwahrscheinlich glücklich bin, habe ich am meisten Schiß. Denn da weiß ich, was ich verlieren kann. Wenn ich unglücklich bin, weiß ich, was ich gewinnen kann.“

Er denke oft, sagt Herman, an Schuberts „Der Tod und das Mädchen“, ln diesem Spannungsfeld zwischen Tod und Leben, „dazwischen bin ich, und da fühl ich mich wahnsinnig o. k. Licht ohne Finsternis gibt es nicht.“ Hoffnung und Tod, das sind auch die beiden gegensätzlichen Leitmotive in Herman van Veens Show. Für ihn gehören sie freilich zusammen: „Man kann erst Hoffnung haben, wenn man den Tod akzeptiert. Dann erst gibt es Zukunft. Die meisten Leute leben aber, als ob es keinen Tod gäbe.“

Vom Glück oder Unglück des einzelnen Zuhörers hängt jedes seiner Konzerte ab. „Es sieht jeder sein Konzert. In glücklichen Zeiten mag man ein Lied, in blöden Zeiten kann man dasselbe Lied nicht mehr ausstehen. Unterhaltung oder Kunst ist immer sehr verbunden mit der Wirklichkeit, die in dem Moment stattfindet.“ Alle Konzerte sind in Details sehr verschieden, sagt er, das Publikum bestimmt mit.

Er könne Denkanstöße liefern, Mut machen — das ist aber nicht das Ziel, sondern ein Effekt. Vor allem ist da, gesteht der Liedermacher und Clown, Autor und Komponist, Mime und Geiger, Schauspieler und Regisseur in einer Person, der .Versuch, mir selber mit einem Lied Mut zu machen. Wenn man singt, wird alles leichter. Im Singen bin ich viel freier. Man singt sich in eine andere Bewußtseinsebene. Alles wird sanfter, freundlicher, kommunikativer. Ein Lied ist für mich ein Spielplatz.“

Propagieren möchte er die Leisen. All die Leute, die unsichtbare Arbeit tun, im Krankenhaus, in der Schule, im Kindergarten. .Man kann in einem Krankenzimmer liegen. und da kommt eine Frau und wäscht deinen Arsch — und lächelt dabei. Für eine Bezahlung, die lächerlich ist!“ Oder eine Kindergärtnerin oder Lehrer, die ihren Schülern sagen, daß es einen Wald gibt und daß er Wald bleiben sollte. .Ich glaube, daß ich am meisten Bewunderung für die Leute habe — und nicht so sehr für die Helden...“

Angst, weiß Herman, ist das größte Geschäft der Welt. .Dieses System macht es unmöglich, daß die Welt wird, was sie hätte sein können. Denn das Angebot der Welt an sich ist grandios. Was wir draus machen, ist was anderes!“
Wie die Welt sein könnte? Freiheit, träumt Herman, sollte das Höchste sein. „Daß man ist, was man ist, ohne daß jemand sagt: ,Das stimmt nicht!“ Das Recht, das zu sein, was du bist. Das gilt für die Pflanze genauso wie für den Menschen, für den Elefanten wie für das Kaninchen.

Und, daß andere das respektieren und ein Stückchen zur Seite rücken.“



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