BRAUNSCHWEIGER ZEITUNG
Markus Ehrenberg

Hermann van Veen in der Stadthalle

„Wo kommen all die jungen Leute her?“

18. Marz 1993

„Heißt du wirklich Kiki? Ein witziger Name“. Schüchtern lächelt das Samaritermädchen im Garderobengang zurück. Hermann van Veen in der Stadthalle. Seine Zugabe war fast länger als das Hauptprogramm, und dieses Energiebündel feixt herum, als ob es gerade aus seinem geliebten Utrechter Garten käme.


Apfelsinen und Kaffee vor sich, das letzte Lied noch auf den Lippen, das Harlekinkostüm im Schrank, entspannt sitzt er in Jeans gegenüber. Hat sich das Publikum in den letzten 25 Jahren geändert? „Kaum. Ich bin jetzt 48. Wo kommen all’ die vielen jungen Leute her, nicht nur hier in Braunschweig?".

Nicht in Routine erstarrt

Gibt es ein Erfolgsgeheimnis? „Der Beste bin ich bestimmt nicht. Im Fernsehen gibt’s mich auch so gut wie nie.“ Er überlegt kurz, grient, man muß den holländischen Einschlag hören: „Ich glaub’, ich bin der Beste in Schönfinden, was ich tue.“

Kein Wunder. Obwohl die meisten Clownerien improvisiert sind, strahlt van Veen auf der Bühne eine Sicherheit aus, die nicht in Routine erstarrt. Der Chansonnier singt Brei, macht uns den Holländer im deutschen Fernsehen, telefoniert mit seiner Oma. Dann kündigt er ein Lied über den „Stasi in uns allen“ an, um doch lieber ein Kaninchenskelett aus dem Hut zu zaubern.

Woher kriegt er seine Geschichten, wie die mit den beiden Berliner Hunden, die einander verblüfft bepinkeln, als die Mauer weg ist? Hermann wird nachdenklich: „Wahrnehmung ist das Zauberwort, sie kann sehr witzig- und sehr wahr sein.“

„Zärtlicher Anarchist“

Er bescheibt sich als „zärtlichen Anarchisten“. Seitdem der Unicef-Botschafter van Veen in Afrika den „Geruch von Hunger“ wahrnahm, ist er pessimistischer geworden: „Die Lage war noch nie so ernst wie heute. Stell’ dir ein bosnisches Kind vor, das nur noch klickende Kameras sieht, aber keine Menschen, keine Hilfe. Wir brauchen positive, kollektive Energie, alle Nasen müssen in eine Richtung gehen-füreinander.“

Typisch Clown, das mit der Nase. Was bleibt? Melancholie? Ja, aber mit Augenzwinkern. Im Trench klopft er einem zum Schluß auf die Schulter: „Was hat dir am besten gefallen“. „Dieser Tag ist wie ein Griff ins Klo mit dem Wahnsinnstrommelsolo.“
„Dagegen mußt du unbedingt Danny de Vito schauen, ein toller Kerl.“
Selber toller Kerl.



Markus Ehrenberg