Sabine Rossbach-Hesse

Ansichten eines Clowns

18 März 1989

Ich war nie in, ich war nie out, ich war immer da“, sagt ein Mann, der seit 20 Jahren die Konzertsäle Europas füllt und den die Kritiker mit den unterschiedlichsten Begriffen zu beschreiben versuchten: mal als liebevollen Clown, mal als bissigen Polit-poeten, mal als König der Liedermacher. Die vielfältigen Talente von Hermann van Veen, sein Engagement neben seiner künstlerischen Arbeit und die Wärme, die er auf der Bühne ausstrahlt, schicken die Fans dieses „Guten Menschen von Amsterdam“ bei jedem Auftritt in ein Wechselbad der Gefühle und Gedanken.


Hier nun der Versuch einer Annäherung an die Persönlichkeit Hermann van Veens in Schlagworten. Das erste ist ein Ausschnitt aus einem Lied, mit dem er seine Konzertreihe in Hamburg eröffnet und seinem Publikum deft * Spiegel vorhäli: „Manche kommen immer zu spät, manche lieben nur, um geliebt zu werden, manche reden nur, um nicht gefragt zu werden, und Du?“

Über sein Selbstverständnis: „Ich bin ein reisender Sänger. Ich singe gefundene Geschichten und erzähle über das, was mich aufregt, was mich glücklich macht und wovor ich Schiß habe. Es gibt soviele Dinge, die nicht in Ordnung sind. Das muß man sagen.“

Uber Erfolg: „Ich habe hart gearbeitet, um keinen Hit zu haben. Hits sind etwas furchtbares. Einmal hatte ich einen mit der deutschen Version von Leonard Cohens „Suzanne“. Dann wollten die Leute nur das hören und riefen „Suzanne, Suzanne“, doch es paßte überhaupt nicht in das Konzert.“

Über Geld: „Geld ist angenehm. Aber es gibt ein jüdisches Sprichwort: Wenn Du Deinem Feind Schlechtes wünschst, dann wünsche ihm viel Geld. Viel Geld macht Angst. Und was soll ein Sänger mit Geld. Kann er sich ein Lied kaufen, oder ein Publikum? Aber ich kann mit meinem Geld, die Utopie, die ich auf der Bühne zeige, in die Wirklichkeit holen. Wir haben zum Beispiel einige Wasserprojekte in Afrika finanziert. Außerdem eröffnen wir bald eine Klinik für Leukämiekranke in Rotterdam, denen dort nicht nur medizinisch geholfen wird, sondern auch gezeigt wird, was in ihrem Körper verkehrt ist.“

Über Krebs: „Eine Krankheit, die durch das falsche Teilen von Zellen entsteht. Das falsche Teilen ist auch die Krankheit unserer Gesellschaft. Wir teilen unsere Gefühle und Gedanken nicht. Auch Hunger, Aggression, Umweltzerstörung sind dadurch bedingt, daß wir unsere materiellen Güter nicht richtig teilen und jeder das haben muß, was der andere hat.“
Über Politik: „Ich bin eine vogelfreie Figur, also nicht parteipolitisch. Parteien sind für mich notwendige Strukturen, eine Abmachung: So wird das Spiel gespielt. Mein Idealbild aber wäre positive kollektive Energie, Ein «paar 'Milliarden Individuen,'" die sicnikollektiv verhalten in der Richtung auf ein „Ja“ für uns alle.“

Über Religion: „Ich glaube, ja, aber nicht an einen Gott. Eher an so etwas, wie das Gute im Menschen, an ein Gewissen. Ich glaube, die Erde denkt und jeder trägt einen Teil dieses Bewußtseins in sich.“
Über Familie: „Manchmal sehe ich eine Frau auf der Straße und denke, ,Mit dieser Frau möchte ich vier Kinder haben.“ Dann sage ich mir, ,Du hast schon eine Frau und vier Kinder und gehe weiter.“ Die Familie ist eines der wichtigsten Dinge. Wenn ein Kind nach Hause kommt mit einer Geschichte, dann muß man alles andere verschieben und zuhören. Die Geschichte ist jetzt wichtig, für dein Kind -also auch für Dich.“

Über Clowns: „Bevor man ein richtiger Clown ist, wird man alt. Ich habe da eine Geschichte erlebt mit einer uralten Schauspielerin. Nach einem Theaterabend kam ein jugendlicher Fan auf sie zu, der ein Exhibitionist war und sich zeigte. Alle waren entsetzt, nur die Frau sagte: ,Steck das bitte weg, wenn Du wüßtest, wieviel Meter ich davon schon in meinem Leben gesehen habe.“ Diese Frau ist für mich ein Clown.“.



Sabine Rossbach-Hesse