RHEINISCHE POST
HEIDI KREUZER

Herman van Veen begeisterte in der Mercatorhalle

„So lieb sein wie ich kann”

18. Februar 1989

Hermann van Veen, der faszinierende Magier des Augenblicks, gab nach dreijähriger Pause wieder ein Gastspiel in Duisburg; mit dabei in der Mercatorhalle seine excellenten Musiker und Techniker, eine Puppenspielerin und — ein Miniatur-Herman, der sein wandlungsfähiges Vorbild bei den vielen Zugaben auch schon mal doubeln durfte. Die, die ihn schon kannten, kamen mit genau so großen Erwartungen wie diejenigen, die zum ersten Mal das Glück hatten, eine der heißbegehrten Karten zu ergattern. Herman van Veen enttäuschte niemanden und riß sein Publikum durch seine Spontaneität, sein großes Können, seihen Witz und seine Offenheit mit.


Gebannt verfolgte das Duisburger Publikum das dreistündige Mammutprogramm des 43jährigen holländischen Clowns, der aus seinem Narrenkostüm die Mosaiksteinchen des Lebens hervorzauberte: Geburt und Tod, Liebe und Beziehungskrisen, Weltpolitik unbd Militarismus, die Tücke und die Banalität des Alltags. All dies bringt Herman van Veen spielerischpoetisch unter einen Hut und setzt in seiner phantasievollen Handschrift Akzente, die mal liebevoll und auch mal kraß ausfallen. So fällt es einem bei der sarkastisch-ironischen Entlarvung des Hedonisten-Hits „Don’t wor-ry, be happy” wie Schuppen von den Augen: Elementare Probleme werden mit diesem profanen Slogan einfach aus dem Bewußtsein verdrängt. „Bierernst” wird es in diesem Programm deswegen allerdings keine Sekunde.

Van Veens mimische Begabung stellt alles in den Schatten, wenn er in Zeitlupe das Gebaren von Tennisprofis persifliert oder einen Männer-Strip-tease zelebriert, der kein Auge trocken läßt.

Mutig kratzt er an Tabus und philosophiert zum Beispiel darüber, weshalb man nicht „gemütlich sterben” kann. Van Veens Vorschlag für sein Ableben im hundertsten Lebensjahr lautet: rechts vom Bett ein paar Liter Tee, auf der anderen Seite ein Berg Spekulatius und rund ums Bett aufgereiht seine Frau, seine Freundinnen und seine Eltern. Bei aller Komik gelingt es ihm, die Ernsthaftigkeit seines Anliegens deutlich zu machen. Und er entläßt seine Zuschauer mit einer wichtigen Anregung. Schließlich sterben hier bei uns etwa 90 Prozent aller Menschen nicht mehr zu Hause, wogegen es in Holland „bloß” 60 Prozent sind.

Herman van Veens großartige Leistung und die Virtuosität, mit der er die Freuden und Abgründe des Lebens als Spiegel- und Vexierbild durch klug eingesetzte theatralische Mittel auf die Bühne zaubert, soll nicht vergessen lassen, daß seine Musiker und Mitspieler, kurzum seine ganze perfekte Crew, einen nicht unwesentlichen Anteil am Erfolg seines Programms haben. Besonderen Applaus bekam Els-ke Lück als Puppenspielerin.

Die Wechselbäder an Stimmungen und die Späße, die Herman van Veen mit sich und seinem Publikum trieb, hinterließen einen solch phänomenalen Eindruck, daß schon die Vorfreude aufs nächste Konzert geweckt ist. Wen wundert es da noch, daß das Publikum an diesem holländischen Exportartikel einen Narren gefressen hatte und „seinen Herman” einfach nicht mehr von der Bühne lassen wollte?
Auch van Veen wirkte glücklich, als er, fast schon am nächsten Tag, die Halle mit weit ausholenden Schritten verließ und ohne jede Koketterie anmerkte: „Nach unserer letzten Station in Frankfurt ist die Wärme, die uns das Duisburger Publikum entgegenbringt, einfach toll. Ich will zu den Leuten einfach nur so lieb sein wie ich kann." „Bis hierher und weiter” lautet das Motto der Tournee —

hoffentlich ist der Weg noch weit.



HEIDI KREUZER