Weinheimer Nachrichten
Gerhard K. Kerner

Ein Holländer auf Seelenfang

Herman Van Veen gastierte im Mannheimer Rosengarten

17 feb 1984

Bei seinen Variationen über die Gastgeberstadt („Mannheim, Mann, Mann, Heinemann“) wirkt er noch unverbraucht und einsatzfreudig. Stunden später erst kann er sich von seiner Fan-Gemeinde im Mozartsaal des Rosengartens verabschieden. Schweißgebadet, angeschlagen und enerviert gibt es noch einmal in der nicht enden wollenden Zugaben-Reihe seinen programmatischen Song: „Ich hab’ ein zärtliches Gefühl“, der aus den ersten Karriere-Jahren des Niederländers stammt.


Wer Herman van Veen über Jahre hinweg beobachtet, dem fällt zunächst auf, wie wenig wandlungsfähig, wandlungswillig dieser Hunderttausendsassa ist.
Eigentlich sind es immer dieselben Gesten, ist es immer derselbe schräge Blick vom Podium, mit denen er den Lachern Einhalt gebietet Als Pantomime und Clown fordert er zwar die Heiterkeit heraus, legt das Spiel mit dem eigenen Körper auf Situationskomik ab; als Sänger und Lyriker aber verlangt er Konzentration aufs Wort. Eine Konzentration, die ihm gern und freiwillig gegeben wird. Denn Herman van Veen gibt gleichfalls sein Letztes. Der Ablauf seiner Auftritte mag zwar vorprogrammiert sein, aber er und sein Erfolg können nur leben mit Hilfe eines immer wieder ganz individuell gestalteten, unmittelbaren Kontaktes zum Publikum.

Im Gegensatz zu vergleichbar erfolgreichen Kollegen der Showbranche wirkt es bei Herman keine Sekunde falsch, wenn er händeschüttelnd durch die Reihen geht. Das ist eine Vertrautheit, die ihren Ursprung in der Wiederholbarkeit und Übertragbarkeit seines Auftretens hat. Man erkennt ihn wieder. Man erkennt sich selbst wieder in dem, was er zeigt.

Trotzdem war der Mannheimer Auftritt eine Enttäuschung. Abgesehen davon, daß Hermans neue Lieder inhaltlich weit unter dem Niveau seiner Debüt-Songs liegen, schockiert der Umschwung in seiner Ausstrahlung. Die altvertraute Melancholie liegt zwar darin, der er sich seit seinen Anfangsjahren bedingungslos ausliefert. Auf dieser Tournee jedoch gerät sie ihm zum Seelengefuchtel, zum emotionalen Anbiedern im ranzigen Stil des butterweichen Michael Heltau. Herman verhökert überraschenderweise sein Inneres auf dem freien Markt der Empfindsamkeit.
Erschreckend verändert wirkt van Veen bei seiner Hommage an Edith F*iaf. Nicht allein, daß er tausendmal Gesehenes wiederholt. Er schmilzt auch seine bislang widerborstige und schwer verträgliche Melancholie zur simplen Sentimentalität um. Kam er bislang , mit einem Minimum an Requisiten und Statisten-Unterstützung aus, wuchert er heuer geradezu mit solcherlei Pfunden, an denen der gestandene Pantomime tunlichst spart.

Zu erwarten war, daß Herman sich eine Stellungnahme zur atomaren Bedrohung nicht versagen würde. Als nicht nur neu, nicht nur fremd, als unpassend geradezu verwunderte der Einsatz von gröbsten Mitteln der Satire, mit denen er einen Technologiegläubigen an der eigenen Unfähigkeit zum Nachdenken zugrunde gehen läßt.

Solche Passagen machen zwar nicht den Löwenanteil des Programms aus, sind aber die augenfälligsten. Im Gegensatz zu ihnen nimmt sein Jonglieren mit den verschiedenen Kunstsparten, in denen er zuhause ist, wie gewohnt gefangen. Würde ! ein Quentchen mehr Ironie auf die Thematik gesetzt (Selbstironie legt er ja zur Genüge an den Tag), käme als Sicherheit eine neue und faszinierende Mischung dabei heraus.



Gerhard K. Kerner